„Ich war eines von drei nicht-weißen Kindern in ganz Lübeck!“

Wie ist es wohl, nach 50 Jahren wieder an die eigene Schule zurückzukehren? Was ist genauso geblieben wie früher und was hat sich verändert? Mit diesen Fragen konfrontierten wir Chris Franklin, der diesen Mittwoch und Donnerstag schon fast eine  Zeitreise in seine Jugend und somit seine Schulzeit hier am Johanneum unternahm.

„Ich muss sagen,“ erzählt uns Chris Franklin zu Beginn des Interviews, „ich finde es schön, dass Dinge, die sich bewährt haben, erhalten worden sind, aber dass viele gute neue Sachen dazu gekommen sind. Und das scheint sich sehr gut miteinander zu vertragen!“ Das habe sich, laut Franklin, so entwickelt, da über die Jahre gut durchdacht und geplant wurde. Die Räume im Refektorium sind für ihn ganz neu, doch diese Änderung gefallen ihm sehr, denn „das ist zeitgemäß in einem guten Sinne“, meint der Jazzmusiker aus Berlin. Trotzdem haben sich nicht alle Räumlichkeiten geändert: „Da ist etwas von dem alten Geist. Was daran positiv war, das ist noch da, aber würde ich mal einfach so sagen, weil ich heute das erste Mal wieder da bin: Hier herrscht irgendwie eine ganz andere Atmosphäre – worüber ich froh bin.“ Damals waren die Flure wohl in eintönigem Grau gehalten, während ihn heute die bunten Bilder und Kunstwerke der Schüler*innen faszinieren. Auch der Stammbaum der Beatles im Refektorium beeindruckt ihn sehr: „Das hätten wir früher gerne selber gehabt.“

Eine Musikklasse gab es zu Franklins Schulzeiten noch nicht, dafür aber ein Orchester und einen Chor, in dem er drei Jahre lang mitsang, bis der Stimmbruch einsetzte. Mit seinen Gitarrenkünsten konnte er damals leider noch niemanden beeindrucken, da es außer dem Orchesters keine Instrumental-AGs gab. Inzwischen spielt der Musiker noch zwei weitere Saiteninstrumente, die er uns anschaulich mit großen Gesten vorstellt. Schon mit vierzehn Jahren beginnt er das erste Mal mit dem Spielen eines Instruments, doch am Johanneum wurde die Pop- und Jazzmusik nicht sonderlich gefördert. „Meine erste Gitarre habe ich mir durch Bohnenpflücken in Moislingen beim Bauern hinten kaufen können und mir dann mehr oder weniger alles selbst beigebracht.“  Und er fährt fort: „Früher habe ich mir manchmal gewünscht, Rennfahrer oder Lokomotivführer zu werden, doch eigentlich war mein Herzenswunsch immer der Beruf Musiker. Nicht zuletzt haben meine Eltern mich mit musikalischen Erfahrungen geprägt, denn mein Vater war Jazzmusiker und meine Mutter Jazzsängerin, wobei auch die Wiener Klassik meiner Großmutter dazu beitrug. Alles Weitere hat sich daraus entwickelt.“ Die Freunde, die er in den sechs Jahren auf dem Johanneum gefunden hatte, bleiben ihm bis heute erhalten. Sie verbanden nicht nur der Stolz, auf das Johanneum gehen zu dürfen sondern auch die Ärgernisse mit ein paar damaligen „Lehrkörpern“, wie es Chris Franklin ausdrückt. Da die „Herrschaften“ – eine weitere Bezeichnung für den ein oder anderen Lehrer – sich mit Einengen und Ungerechtigkeit  bei den Schülern unbeliebt machten.

Auf die Frage, wo er sich seinen Lieblingsplatz vorstellen könnte, antwortet er mit einem Lächeln: „Ich würde mir einen kleinen Platz auf dem Dach einrichten und dann würde ich da mit meinem Laptop sitzen. Das ist ein guter Platz!“

Dass Schüler*innen verschiedener Nationalitäten am Johanneum vertreten sind, war damals noch nicht so verbreitet wie heute. „Ich war eines von den drei nicht-weißen Kindern in ganz Lübeck!“, erzählt uns der ehemalige Johanneer. Er war somit der einzige farbige Junge an der gesamten Schule – unvorstellbar! In der Schule hatte er deshalb zum Glück keine Probleme, vielmehr in der Gegend, in der er wohnte.

Eine Mensa gab damals nicht, dafür eine Milch- und Kakaoausgabe gegenüber des Krankenzimmers. Es gab keinen langen Unterricht und bei 35 Grad im Schatten war es verboten, Arbeiten zu schreiben, was von den Lehrern oft ignoriert wurde, um „den Dorn noch einmal drauf zu hauen“, meint Chris Franklin. Dagegen habe er sich mit seinen Schulkameraden oft gewehrt. Durch das Komponieren eines Quartetts kam Franklin schließlich wieder an das Johanneum, da er die Noten an Herrn Maetzel geschickt hatte und dieser es mit ein paar Schülern gespielt hatte. Ihm machte das Komponieren wohl nicht nur jetzt Freude, denn der ein oder andere Song entstand bereits in seiner Jugend. Die ersten richtigen Songs schreibt der Jazzmusiker seit den 80ern. Wenn der Song schnell zu schreiben ging, hakt es manchmal an dem Arrangement, doch inzwischen geht Vieles durch die technischen Hilfsmittel einfacher und einige Aufnahmen seiner Songs stehen bereits. Mit seinen insgesamt vier Bands, drei aus seinem Wohnort Berlin und eine aus seiner Heimatstadt Lübeck, spielt er auch gelegentlich Improjazz, doch ob dies gut gelingt, hängt meist von den Musikern ab, ob diese sich auch „zurückhalten“ können und nicht immer nur Soli spielen wollen. Das, so gibt der Gitarrist selber ehrlich zu, habe er auch erst lernen müssen.

Bis Donnerstag ist Chris Franklin noch in Lübeck und fährt danach wieder nach Berlin. Somit schließt er seine 17. Reise nach Lübeck ab, über die er sich, wie über jede andere auch, sehr gefreut hat.

Zum Abschluss meint er zu uns: „Vielleicht sehen wir uns ja nochmal wieder!“ – Und das hoffen wir auch! Wirklich!

Text: Josefin Greve und Minou Tabatabai, 8d

Fotos: Minou Tabatabai (Beitragsbild), Paula Pohlann