Was ist Weihnachten?

Klassenraumschmücken, Weihnachtslieder anstimmen, Gedichte vortragen… In der 7d hat jeder Schüler und jede Schülerin in der Adventszeit eine weihnachtliche Aufgabe zu erledigen. Für den 4. Dezember hatte es Helena getroffen. Herrn Peters’ Auftrag lautetet: Schreibe eine Weihnachtsstory, in der die Worte „Heiligabend“, „Fast Fashion“, „Stille Nacht“, „Gänsebraten“ und „Bratwurst“ vorkommen!

Was dabei herauskam, ist nicht nur amüsant, sondern auch noch ziemlich lehrreich:

Was ist Weihnachten?

Kyra kam neu in die Klasse. Frau Lefski stellte sich an diesem Morgen vor die Klasse und redete das Übliche, von dem bei mir nur das Folgende hängenblieb: „…hoffe…aufnehmt…Gemeinschaft…Schule…Ägypten.“ Aah, Ägypten! Es wurde also spannender als gedacht. In unserer Klasse gab es viele Kinder aus vielen verschiedenen Ländern, aber Kyra war die erste aus Ägypten.

Doch schon bald hörte ich wieder weg. Im Moment mussten wir an Wichtigeres denken: Bald war Weihnachten. Was sollten wir schenken? Was würden wir kriegen? Was wird es zum Essen geben? …

Auch Kyra schien abgelenkt. Sie sah aus dem Fenster, zu den Lichterketten und dem riesigen Schild, das allen „Fröhliche Weihnachten“ wünschte. Auf einmal sah sie uns an. „Was ist Weihnachten?“

Stille.

„Bist du blöde?“, rief der laute Niels. Auch wir anderen stimmten ihm zu. Nur leiser. Natürlich kannten wir alle Weihnachten und wussten, was wir machen würden, wenn es so weit war. Wer wusste das nicht?

Kyra schien eingeschüchtert, aber nicht weniger neugierig. Und so meldete sich Anna, die sich immer meldete, ob sie etwas wusste, oder nicht.

„Also,“ fing sie mit ihrem englischen Akzent an, „Weihnachten ist ein Fest, an dem man im Fernsehen der Queen zuhört, Pudding isst und neue Barbies in seinen Strümpfen findet, die Mum über den Kamin gehängt hat.“

Entnervtes Stöhnen der Klassenkameraden war die Antwort. War ja klar, dass Anna nur Mist erzählen würde. Pudding? Was für ein Quatsch! Und so meldete sich Georg: „Digga is doch kla. An Weihnachten schläft man lang, chillt, isst Bratwurst und zockt mit der neuen Playstation, die man kriegt.“

Kannte auf einmal niemand mehr Weihnachten? Naja, von Georg war es ja nicht anders zu erwarten. Entrüstet begann nun Julia aus Argentinien zu erzählen: „Also, wir fahren immer nach Hause nach Argentinien, essen Eis, machen ein Feuerwerk und am 6. Januar gibt‘s Geschenke von den heiligen drei Königen!“

Hä? Was war denn in die gefahren? Musste man denn alles selber machen? Ich meldete mich lieber, bevor noch mehr Lügengeschichten die arme Kyra verwirrten.

„Man geht zu seiner Familie, isst Gänsebraten, schmückt das Haus mit Lichterketten, zündet vier Kerzen an und kriegt Geschenke. Aber keine Barbie oder Playstation! Schöne Sachen!“

Ich blicke in die Runde, doch wider meine Erwartung folgte keine Zustimmung. Eher im Gegenteil: Ein hitziger Streit brach aus.

„Weihnachten ist nicht Weihnachten, wenn man nichts Gutes tut! Man kann zum Beispiel gegen Fast Fashion protestieren.“

„Quatsch mit Kohlsoße! Wir Finnen gehen in die Sauna. Danach denken wir an die Toten und helfen Joulupukki verkleidet beim Geschenkeverteilen!“

„Verkleidet? Das ist doch Weihnachten, kein Fasching! Und was für ein Pukki?“

„Schön, aber in Kenia gibt es das einzig wahre Weihnachtsfest. Da organisieren die Kinder alles. Das ist ja der Sinn von Weihnachten!“

„So ein Schwachsinn! Kenia, pah! Die Mexikaner wissen, wie man Weihnachten feiert. Man zerschlägt Piniatas, als Zeichen der zerschlagenen Sünden und dann gibt es einen Wettbewerb, bei dem man die schönsten Krippenfiguren schnitzen soll, aus Radieschen!“

Und so weiter. Am Ende wussten wir gar nichts mehr. Was war denn nun Weihnachten? Die kleine Pia flüsterte fragend: „Ähh, Weihnachten ist etwas Schönes?!“ Ja, damit hatte sie recht. Stumm vereinbarten wir, es dabei zu belassen.

Kyra sah zwar nicht zufrieden aus, aber ich glaube, sie hatte Angst noch mal zu fragen. Wahrscheinlich wird sie später googeln. Ob sie im Internet bessere  Antworten findet?

Helena Stöter, 7d