„Forte XXL“

Wenige Jugendliche komponieren heutzutage und setzen ihre kreativen Musikideen in fertige Stücke um. August Hübner aus der Q1a gehört zu den jungen musikalischen Talenten und hat den Bundeswettbewerb „Jugend Komponiert“  gewonnen. Über den Wettbewerb, seine Stücke und Inspirationen wurde August interviewt:

Was genau ist denn Jugend Komponiert?

August: Der Bundeswettbewerb von Jugend Komponiert wird von „Jeunesse Musicale“, einer Organisation, die musikalische junge Menschen fördert, geleitet. Man kann in drei Kategorien Werke einreichen, wobei letztlich immer nur ein Werk gewinnt. Und jedes Jahr werden eben für die Kategorie eins und zwei bestimmte Instrumente vorgegeben: Dieses Jahr waren es Fagott, Horn, Cello, Klarinette und Akkordeon. In der Kategorie eins muss man ein Kammermusikwerk schreiben, da habe ich ein Duett für Fagott und Cello eingereicht. Und in Kategorie zwei muss man eins von den beiden Instrumenten nehmen und ein Solowerk für dieses schreiben. Dafür habe ich dann wieder Fagott genommen, da ich es ja auch selber spiele. In der dritten Kategorie hat man sehr viel Freiraum und darf experimentelle Musik schreiben. Hierfür habe ich einen Klavierzyklus eingereicht, der ungefähr 11 Minuten dauert und aus sieben Teilen besteht. Er heißt „impression d’une riviere bretonne“, also „Impression eines französischen Flusses“.

Was passiert jetzt nach der Teilnahme? 

Also erstmal bekomme ich ein Vollstipendium für eine Kompositionswerkstatt im August in Weikersheim bei Frankfurt und dann auch ein Konzert, bei dem mein Klavierzyklus in Frankfurt uraufgeführt wird. Beim Wettbewerb  gab es insgesamt 170 Einsendungen und von den drei Altersgruppen kommen jeweils zehn zu dem Workshop, auf den ich mich auch besonders freue. Ich kenne einfach sehr wenige, die komponieren, und möchte mich einfach mal mit anderen darüber austauschen.

Wie bist du zum Komponieren gekommen? Nimmst du zum Beispiel auch Kompositionsunterricht?

Nein, also Unterricht nehme ich tatsächlich gar nicht. Ich habe mit neun Jahren angefangen: Da hab ich einfach ein Blatt voll mit Noten geschrieben und das dann Violinkonzert genannt… (lacht) Ich hatte vor allem keine Tonart, keinen Takt, Begleitung oder ähnliches. Aber ich wusste eben genau wie es klingen soll. Da hab ich auch die Dynamikbezeichnung forte beziehungsweise fortissimo einfach forteXXL genannt, das sollte eben sehr laut sein. Und dann mit zwölf oder dreizehn hatte ich dann meinen ersten Laptop und hab darauf Musecore installiert. Damit kann man einfach Stücke mit verschiedenen Stimmen schreiben und sich die dann auch, wenn auch künstlich erzeugt, anhören.

An welchen Komponist:innen orientierst du dich gerne?

Ich habe besonders für meinen Klavierzyklus sehr viel Inspiration von Ravel und Debussy genommen, also ein sehr impressionistischer Klang mit wenig Funktionsharmonik. Auch an den „Kinderszenen“ oder „Kreisleriana“ von Schumann hab ich mich in dem Sinne orientiert, dass die einzelnen Teile des Stückes auch für sich stehen können. Manche Teile haben dann wiederum auch einen sehr klassischen Klang, wie zum Beispiel bei der „Heroischen Polonaise“ von Chopin. Manche Sachen habe ich tatsächlich schon vor einigen Jahren so komponiert, die dann mal wieder rausgekramt und was die Harmonien oder so angeht, überarbeitet. 

Wie gehst du beim Komponieren an ein Stück ran? Wie merkst du dir Melodien?

Grundsätzlich komponiere ich einfach nach Gefühl. Wenn ich Musik höre und auch gewisse Funktionen höre, dann reproduziere ich diese im Nachhinein, ohne wirklich zu wissen, was es jetzt für eine Funktion ist. Auch bei Akkorden: Akkorde haben ja immer eine bestimmte Richtung. Das kann man jetzt mit Funktionsharmonik begründen, aber ich merke dann immer erst im Nachhinein, welche Funktion der Akkord hat. Meistens fallen mir Melodien ein und dann merke ich erst, dass es diese eigentlich schon längst gibt und es aus meinem Unterbewusstsein wieder hochgekommen ist. Und dann pfeif ich die Melodie einfach immer in mein Handy rein, um es dann später aufzuschreiben. Letztens saß ich auch einfach in der U-Bahn und mir ist was eingefallen, dann hab ich das einfach mitten in der U-Bahn in mein Handy gepfiffen…

Wie lange sitzt du an einem Stück?

Das kommt wirklich immer darauf an: Den ersten Satz für eine Sinfonie habe ich einfach in zwei Tagen am Stück geschrieben. Und dann aber wieder bei manchen Stücken, die eigentlich gar nicht so lange sind,  hab ich mehrere Wochen gebraucht. Zum Beispiel aus dem Zyklus, den ich geschrieben habe, heißt ein Teil  „l’hiver au bord de l’eau“, also der Winter am Fluss und der dauert nur knapp zwei Minuten, aber ich hab es immer wieder überarbeitet und an kleinen Stellen Dinge geändert. Es kommt auch darauf an, wie man komponiert: Also, ob man ein großes Werk schreiben will, wo der Schwerpunkt auf dem Ambiente liegt, oder ob man eben ein sehr melodiöses Stück, das sehr häufig überarbeitet wird, schreibt.

Wie würdest du deinen Stil in deinen Werken beschreiben?

Also früher habe ich sehr barock komponiert. Das kam einfach dadurch, dass ich auf der Geige sehr viel Bach gespielt habe und mich davon inspiriert gefühlt habe. Aber im Moment liebe ich vor allem Schönberg, also eher modernere Komponisten und Komponistinnen. Aber auch Schumann höre ich sehr gerne, sodass sehr viel einfach gemischt ist. Wenn ich eigentlich einen sehr brucknerischen Hornsatz habe und dann wieder kontrastreiche, schwebende Streicher, die eher nach Debussy klingen, entsteht diese Mischung einfach, die ich jetzt mal so als meinen Stil bezeichnen würde. Das kommt aber alles eher nach Impulsen und ich bin ja noch so am Anfang, dass ich natürlich auf der Suche nach meinem Stil bin. 

Hast du beim Komponieren Bilder im Kopf? 

Bilder schon, aber ich erzähle nicht so wirklich beim Komponieren eine Geschichte. Das ergibt sich dann auch im Nachhinein. Also ich steige jetzt nicht wie Strauss auf die Alpen und beschließe, eine Alpensinfonie zu schreiben. Trotzdem: In der Natur, an Wasser und Bewegungen lasse ich mich gut inspirieren.

Was macht dir beim Komponieren besonders Spaß?

Letztendlich ist es das Produkt, das Ergebnis, das man bekommt. Man sieht immer wie weit man schon gekommen ist, wenn man sich die vollgeschriebenen Notenblätter anschaut. Außerdem komponieren sehr wenige in meinem Alter, und das macht es irgendwie noch besonderer.

Um auf neue Ideen zu kommen und dich inspirieren zu lassen: Wie viel Musik hörst du am Tag?

Mindestens eine Stunde, aber meistens eher zwei Stunden. Manchmal ist neben klassischer Musik auch noch ein bisschen Jazz und Bossa Nova dabei. 

Hörst du dabei gezielt? Also nimmst du dir gezielt vor, was du heute hörst?

Kommt ganz darauf an. Ich habe eine ganz lange Playlist, die ich einfach anmache und schaue, was kommt… Ich hör aber auch sehr gerne ganz unbekannte Komponisten und Komponistinnen, denn ich habe mittlerweile das Gefühl, dass ich die Spanne von 1800 bis ins 20. Jahrhundert durchgehört habe.

Was gefällt dir besser: Komponieren oder das Spielen von Instrumenten?

Also einmal ist Üben und Spielen noch einmal was anderes, aber im Orchester zu spielen, macht schon einfach sehr viel Spaß und erzeugt bei mir mehr so diesen Gänsehautmoment.

Naomi Reitemeier, Ee, für die Presse-AG