Abgehoben

IMG_8850Natürlich hatte ich einen normalen Arbeitstag erwartet: 7.45 am Flughafen, bekannte Gesichter, zweimal innereuropäische Kurzstrecke, elender Papierkrams und abends wieder in Lübeck.

Stutzig wurde ich, als ich sah, dass der Flughafen großflächig abgesichert war. Hunderte von Passagieren drängten sich vor der Security. Bitte nicht wieder Stromausfall! Aber in Dienstkleidung und mit meiner Pilotenbrille kam ich schnell durch und wurde überrascht:

Irgendwas muss das Personal zu feiern gehabt haben. Beste Stimmung am Check-In, IMG_8839selbst bei den Billiglinien! Selten haben die Stewardsessen bei meinem Anblick so reizend salutiert! Zudem war der Flughafen komplett neu beschildert. Da haben schlaue Leute mal sinnvoll geplant.

Ging dann auch gut weiter: Zu meiner Überraschung war ich heute für Emirates unterwegs – offensichtlich ein neues Austauschverfahren der Fluglinien, um für zentrale Standards bei den Fachanforderungen an Pilot*innen zu sorgen. Sollte mir recht sein, denn Emirates ist für formidablen Bordservice bekannt! Aber selbst die IMG_8837Kolleg*innen, die zu Ryanair wechselten, wirkten ausgesprochen zufrieden.

Die Passagiere wurden persönlich eingewiesen und von den Flugbegleiter*innen bis ins Flugzeug begleitet – eine neue Charme-Offensive zur Kundenbindung? Na, bis auf den letzten Platz war mein Flieger ausgebucht, und dann wurden tatsächlich noch Stehplätze vergeben! Ok, der Kostendruck ist wohl hoch, wenn nicht am Service gespart werden soll. IMG_8842

Naja, nach diesem Wellness-Teil kam dann aber die echte Challenge. Als Pilotin bin ich es gewohnt, mich ungewöhnlich harten körperlichen Tests und mentalen Herausforderungen zu stellen. Nerven wie Stahl brauchte ich auch, als ich erfuhr, dass unser vice president Langhans als Geisel genommen worden war. Klar, dass damit der ganze Flughafen in Gefahr war! Ich war selbstverständlich dazu bereit, alles in meiner Macht Stehende zu unternehmen, um ihn zu retten. Die Aufgaben übertrafen aber alles, was mir in meiner Ausbildung abverlangt worden war. Zum Glück konnte ich den Notfallknopf nutzen und die Brains unter den Passagieren zusammenrufen. Gemeinsam gelang es denen geradezu in Schallgeschwindigkeit, den Code zu knacken:

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Auch die praktische Übung, sinnlos gewordenes Arbeitsmaterial aus den vergangenen Jahren in Hochleistungspapierflieger zu verwandeln, bewältigten die Passagiere mühelos. Echt hart wurde es nochmal, als Terroristen versuchten, unser Flugzeug in ihre Gewalt zu bringen. Sie verlangten, dass wir ans Äußerste gehen sollten. Erst als das gesamte Flugzeug im Kanon „Viel Glück und viel Segen“ sang, ließen sie von uns ab und wurden schließlich von der Security abgeführt. Die Einreisekontrolle überwanden wir, indem wir dem einheimischen Personal passendes deutsches Traditionsliedgut vortrugen. Nachdem wir „Über den Wolken“ geschmettert hatten, durften wir in die VIP-Lounge. Geschafft war es dennoch nicht. Vom Regen unbeirrt hatten wir auf dem Rollfeld einen Battle auszustehen, um den vice president zu retten. Zum Glück hatten wir gerade in unserer letzten Erste-Hilfe-Fortbildung gelernt, wie man ohne den Einsatz der Hände Wattebäusche an Cremenasen transportiert, so dass unsere Crew vorankam.

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Auch unsere Juniorpartner zeigten ihr Können, in der Schwerelosigkeit schwindelfrei zu agieren. Da sieht man, was Nachwuchsförderung bewirken kann! Wir bewältigten selbst die Königsdisziplin: Fliegen ohne Flugzeug! Das geht nur mit echtem Zusammenhalt.

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So gelang es uns, den Kollegen Langhans aus seiner misslichen Lage zu befreien – doch was war das? Er fraternisierte mit den Geiselnehmern, die den gesamten Flughafen in ihren Bann zogen, bis alle gemeinsam ihnen zu „Abileave, I can fly“ zum Abschied winkten.

Ganz ehrlich, liebes Flughafenteam, das war nicht nur ein ungewöhnlicher Arbeitstag, sondern der beste Abflug, den wir hier in diesem Jahrtausend erlebt haben! Sowas setzt Maßstäbe! Euch allen ein herzlichstes Dankeschön – und: Many happy landings!

Inken Christiansen