„Expedition in ein unbekanntes Land“

IMG_0428Wie verändern digitale Medien den Schulalltag? Welche Fertigkeiten und welches Wissen benötigen Schülerinnen und Schüler, um sich in einer digitalisierten Welt zu bewegen? Und welche, um diese Welt selbst zu gestalten? Was ergibt sich ganz konkret für Politik und Lehrkräfte? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Veranstaltung „smart education – Schule der Zukunft“, zu der die Friedrich-Naumann-Stiftung am Abend des 22. Oktober in die Aula des Johanneums eingeladen hatte. Auf dem Podium diskutierten Professorin Dr. Felicitas Macgilchrist, die an der Universität Göttingen über Medien im Unterricht forscht, Senatorin Kathrin Weiher und Dr. Michael Janneck als Schulleiter und Informatiker, moderiert von der Journalistin Ina Lebedjew.

Nicht nur am Johanneum wird der Einsatz digitaler Medien als Werkzeuge des Lernens immer selbstverständlicher. Felicitas Macgilchrist begleitet Schulen in Deutschland, aber auch Deutsche Schulen im Ausland bei der Entwicklung mediendidaktischer Konzepte und fasste ihre Beobachtungen in drei Thesen zusammen:

IMG_04241. Es sei ein Unterschied, ob man von „Digitalisierung“ oder von einer „Kultur der Digitalität“ spreche. Ersteres bezeichne die Ersetzung eines analogen Wegs durch einen digitalen, z.B. ein Schulbuch auf dem Notebook zu lesen. Wesentlicher für Schulen aber sei es, Digitalität, die gesellschaftlich ohnehin schon lebensbestimmend sei, zu reflektieren. Digitale Medien einzusetzen, sei kein Ziel an sich, sondern es gehe darum, aus einem Werkzeugkasten das jeweils beste Vorgehen für ein Ziel anwenden zu können – dies könne gegebenenfalls ebenso der Bleistift wie das Tablet sein.

2. Schülerinnen und Schüler sollten vorbereitet sein – nicht nur auf Berufe, die es noch gar nicht gebe, sondern auch darauf, sich in der bereits existenten digitalen Welt sicher bewegen zu können.

3. Entscheidendes pädagogisches Ziel sei es, die Schülerinnen und Schüler dazu zu befähigen, die digitale Welt selbst zu gestalten. Sie bräuchten Kenntnisse dieser Werkzeuge, um deren Mechanismen zu durchschauen.

Die eigentliche Revolution besteht für Felicitas Macgilchrist nicht darin, eine Vielfalt von Medien zu nutzen, sondern in der dadurch entstehenden Veränderung der Lernkultur und der Beziehung zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen, die nicht mehr auf einem reinen Wissensvorsprung basiere, sondern auf einer Begleitung des Denkens und Forschens. Kompetenz im Umgang mit digitalen Medien könne das gesellschaftliche Bewusstsein verändern, denn wenn man z.B. Medieninhalte selbst produziere, könne man die Macht der Medien und ihrer Darstellungsweisen durchschauen. Ziel sei letztlich die Bildung einer „digital citizenship“.

IMG_0429Diese weitreichenden Visionen brach Senatorin Kathrin Weiher auf die Mühen der bürokratischen Ebene herunter. Durch den deutschen Bildungsföderalismus und knappe Kassen in Lübeck sei der Ausbau digitaler Lernmöglichkeiten in den Schulen lange Zeit vom Engagement der Schulen, also der Schulleitungen und engagierter Lehrer*innen abhängig gewesen. Nach handfesten Erfahrungen an vier Projektschulen plane Lübeck als Schulträger nun, Support und Wartung der Systeme zentral zu verantworten und den Schulen Hilfestellung für ihre Medienentwicklungsplanung zu geben. Aus Sicht Kathrin Weihers bietet nur eine zentrale Lösung für gute digitale Bildung echte Chancengleichheit. In Lübeck solle zudem eine für alle Schulen verfügbare Medienwerkstatt entstehen. Immerhin 43 von 68 Lübecker Schulen haben inzwischen ein flächendeckendes WLAN.

Dass dies am Johanneum längst genutzt werden kann, verdankt sich maßgeblich dem Engagement von Dr. Michael Janneck. Er würde sich einen Systemadministrator und Lehrerstunden für kollegiale Beratung wünschen, um den Einsatz digitaler Medien im Unterricht umfassend weiterentwickeln zu können. Dabei möchte er keine Sonderstellung dieses Einsatzes, sondern selbstverständliches Arbeiten mit digitalen Werkzeugen. Gerade in den ab nächstem Schuljahr aufwachsenden Notebook-Klassen gehe es nicht um eine Festlegung von Zielen, sondern um ein gemeinsames Ausprobieren, Experimentieren und Lernen, um nicht nur die Anwendung, sondern die Kultur der Digitalität zu verstehen. Denn auch die Kompetenz, Algorithmen zu durchschauen, diene letzlich dem obersten pädagogischen Ziel: der Befähigung zum kritischen Denken.

So waren sich die Diskutierenden letztlich einig: Die Zukunft unserer Gesellschaft hängt davon ab, dass nicht nur Informatiker*innen die Kompetenz besitzen, sie zu gestalten.

Inken Christiansen