Ansichtssache

Wer eine Schutzmaske trägt, braucht kein Make-Up. Und wer sich vor allem virtuell mit anderen trifft, denkt nicht lange über sein Outfit nach. Eigentlich eine gute Zeit, um mit falschen Erwartungen und Klischees aufzuräumen, meint Lea-Sophie Lübker aus der Q1c.

Sind meine Muskeln zu klein? Ist meine Nase zu groß? Warum sehe ich nicht aus wie alle anderen? In irgendeiner Form hat jede:r sich diese Art von Fragen schon einmal gestellt. Dabei ist doch die eigentliche Frage, die wir uns stellen sollten: Sollte es uns so sehr kümmern, wie wir aussehen?

Wir interagieren meist täglich mit unseren Mitmenschen; Freund:innen, Kolleg:innen, Lehrer:innen und viele, viele fremde Leute, deren Aussehen wir, wenn auch unbewusst, aufnehmen. Jedem wird dabei aufgefallen sein, das alle, denen wir auf der Straße, im Büro oder an der Kasse begegnen, komplett unterschiedlich aussehen. Alleine, wenn ich mich in meinem Freundeskreis umschaue, dann ist da ein blonder Riese, eine rothaarige Zwergin; Menschen mit glatten Haaren, die nächste hat gelockte, einige von ihnen sind dünn wie Bohnenstangen, andere sind runder um Hüfte und Bauch, wieder andere haben ein Kreuz, das doppelt so breit ist wie mein eigenes. Und das alles sind nur eine Hand voll Menschen, dabei sind wir fast acht Milliarden auf unserm ganzen Planeten. Wie unterschiedlich werden wir da wohl alle sein? Warum würde sich jemand wünschen auszusehen wie jemand anderes, wenn wir so unfassbar einzigartig sind auf diese wunderbare Weise?

Aber einzigartig zu sein und auszusehen, ist erst neuerdings wieder einer der Ansprüche der Menschen. Viele Medien, unter anderem soziale Netzwerke oder TV-Shows, haben lange vor Generation Z das Body-Image der Gesellschaft geprägt und das neuste Schönheitsideal in die Köpfe implantiert. Über mehrere Jahre galten Frauen als schön, die Taillen im Umfang meines Oberarms hatten und glatt rasierte lange Beine. Die meisten Models blond und blauäugig, ohne Dehnungsstreifen oder Cellulite. Männer waren, so die Medien, nur optisch ansprechend, wenn sie groß und muskulös waren. Herb und rau sollen ihre Gesichter sein, zu jungenhaft auszusehen, ist ein No-Go. Das war eine lange Zeit ein in den Köpfen der Gesellschaft feststeckendes Ideal, und alle Menschen, die außerhalb dieses Ideals liegen, wurden als unattraktiv angesehen.

Heutzutage ist das nicht mehr der Fall. Es wird immer populärer, sich keinem der heutigen Schönheitsideale hinzugeben. Curvy Models werden immer mehr in den Medien präsentiert und eine insgesamt größere Diversität, was Eigenschaften wie Haut- oder Haarfarben sowie Körpertypen angeht, findet Einfluss in euer heutiges Leben. Menschen machen sich ihr Anders-Sein zu eigen, auf Sozialen Netzwerken trenden immer mehr Einträge, die unter dem Aspekt „Body positivity“ gepostet werden. Zeitschriften und Shows spiegeln ein immer realeres Bild wieder, wie Menschen wirklich aussehen und setzen realistische Schönheitsideale, die auf jeden zutreffen können.

Aber wenn unsere Gesellschaft mittlerweile diese altbackenen Ideale überholt hat, warum hadern trotzdem noch so viele Menschen mit ihrem Body image? Sehen wir es mal so: Nur weil unsere Medien eine gesündere Art von Body positivity veröffentlichen, heißt dies nicht, dass das auch bei allen Menschen in die Praxis umgesetzt wird. Noch immer machen Menschen Diäten vor dem Urlaub, verstecken sich hinter anderen auf Gruppenfotos, weil sie ihren Körper nicht vollständig ertragen, verweigern sich Veranstaltungen wie Partys oder Abenden im Freundeskreis, weil sie einfach an nichts anderes denken können als das Unwohlsein im eigenen Körper. Auch das Auftreten von mehr Diversität in Medien und Werbung ändert daran nicht wirklich etwas.

Denn noch immer steht der Begriff „Schönheit“ groß innerhalb der Gesellschaft. Immer mehr Sprüche, die eigentlich zu einem gesunden Selbstwertgefühl führen sollen, verstärken den selbst ausgeübten Druck nur. „All Bodies Are Beautiful“ oder Heidi Klums ständiges „Ihr seht toll aus!“ setzt, wenn auch aus guter Intention, den Maßstab, dass jeder schön sein MUSS und jeder muss schön sein, um glücklich sein zu können. Es wird als eine neue, scheinbar nicht überwindbare Hürde zu einem gesunden Selbstbild gesehen und ist damit das Gegenteil von dem, was eigentlich erreicht werden soll.

Wenn nun aber sowohl der positive als auch der negative Weg der Ansicht des Body Images Opfer fordert, wie sollte man denn stattdessen damit umgehen, wenn Menschen in unserem Umfeld mit ihrem Aussehen hadern? Der Schlüssel ist gar nicht so weit abgelegen; „Body Neutrality!“. Es ist der Weg einander zu zeigen, dass unser Selbstwert nicht von unserem Aussehen abhängt. Denn so kitschig dieser Spruch auch klingen mag: „Wahre Schönheit kommt von innen“.

Also behaltet immer im Kopf, dass ihr vielleicht das Gefühl habt, die Meinung anderer würde euch in eurer charakterlichen und gedanklichen Entwicklung aufhalten und fesseln, dabei seid meistens ihr selber euer eigener Richter. Ihr müsst euch erst davon lösen euer Äußeres in Abhängigkeit zu eurem Selbstwert zu stellen.

Lea-Sophie Lübker, Q1c, Essay im Rahmen des Religionsunterrichts