Das Blut des Johannes

Warum blüht eigentlich eine Kastanie auf unserem Schulhof rot, die anderen aber weiß? Und woher stammt die Figur auf unserem Brunnen? Die 6c hat sich auf sagenhafte Spurensuche begegeben und erstaunliche Erklärungen für besondere Funde im Johanneum und der ganzen Stadt entdeckt. Der erste Teil:

Vor langer Zeit, um 1295, zogen die Holztoken gegen die Quebeker in den Krieg. Beide Völker stritten seit einer Ewigkeit um Ländereien. Johannes, ein Holztoke, besaß einen roten Rubin, den er vom Pflanzengott Plantos bekommen hatte. Dieser Stein war für ihn von unschätzbaren Wert, da Geschenke von Göttern für die gläubigen Holztoken wie Glücksbringer waren. Aus Furcht, dass dieser Stein in die Hände der Feinde gelangte, vertraute Johannes den Rubin seinem Freund, dem Mönch Thomas vom Sankt Johannis-Kloster an. Dieser versprach gut auf ihn Acht zu geben. Thomas vergrub den Stein auf dem Hof des Klosters, denn er war sich sicher, dass dort niemand den Rubin suchen würde. Was er allerdings nicht ahnte, war, dass aus dem Stein, wenn er unter der Erde lag, ein Baum sprießen würde. Als Johannes schwer verletzt aus der Schlacht zurückkehrte war aus dem kleinen Pflanzentrieb bereits eine stattliche Kastanie geworden. Im Schatten der Kastanie brach Johannes zusammen. Als der herbeieilende Thomas ihn dort leblos liegen sah, vergoß er viele Tränen. Diese, vom Blut des Johannes rot gefärbt, sickerten in die Erde. Seit jener Zeit blüht die Kastanie rot und ist zu einem Pilgerort für die Holztoken geworden.

Katharina March

Ein steinernes Herz

In Lübeck gab es einmal einen Mann, sein Name war Albert, gutaussehend und von guter Familie. Er arbeitete als Kaufmann, ein reich begehrter Beruf zu dieser Zeit. Doch trotz seines Glücks machte er anderen Leuten das Leben schwer. Er meckerte sie an, trampelte auf den Armen herum und machte sich lustig über sie. Er könnte ein großartiger Mann werden, von allen geliebt und geschätzt, doch so war ihm nicht; er mochte die Tage, an denen unschuldige Menschen am Pranger standen und nach Hilfe schrien, er bekam alles, was er wollte. Und gaben die Leute es nicht freiwillig, so schickte er seine Handlanger, bis sie es herausrückten. Kinder oder eine Frau hatte er nicht, er wohnte allein mit seinem Knecht in einem Giebelhaus an der Hauptstraße. Eines schönen Septembermorgens beim Frühstücksmahl sagte der Knecht zu ihm: “Herr, ich glaube, heute kurz vor Sonnenuntergang soll es einer Frau am Pranger schlecht ergehen! Wollen Sie nicht hingehen und zugucken?“ „Natürlich, eine gute Idee. Ich werde mich nach der Arbeit mal dort umsehen“, antwortete Albert. Kurz vor Sonnenuntergang war der Marktplatz überfüllt mit Leuten; Albert drängelte sich unsanft nach vorne, um ja nichts zu verpassen. Vorne, mit einer Schlinge um den Hals, stand die wunderschönste Frau, die er je gesehen hatte – mit glänzendem, langem, goldenen Haar. Und obwohl sie mit Dreck beschmiert und lumpig angezogen war, strahlte sie regelrecht. Ohne nachzudenken rief er durch die Menge: “Ich will sie haben, sie scheint mir eine passende Gemahlin zu sein!“ Doch statt froh und glücklich auszusehen, machte sie ein entsetztes Gesicht. Albert kaufte sie frei und lief mit seiner zukünftigen Frau nach Hause. Immer wieder hörte Albert Leute über ihn und seine Zukünftige tuscheln, daraufhin herrschte er sie an und sie waren still. Nach einiger Zeit fragte die Frau: “Warum bist du so gemein zu ihnen?“ „Weil sie nicht das Recht haben, einen Kaufmann in Frage zu stellen! Sie sind alte, arme Leute, die haben nichts zu sagen!“ „Und warum hilfst du ihnen nicht?“ „Weil sie kein Recht auf Hilfe haben! Und jetzt halt den Mund, Weib!“, barschte er. Danach war sie still, bis sie Zuhause angekommen waren und als sie sich auf den Befehl des Kaufmanns waschen und umziehen sollte, sprach sie kühl zu ihm: “Ich werde Dich nicht heiraten, weil ich Dich nicht liebe!“ und ging stampfend die Treppe hinauf. Und so sagte sie auch die nächsten Tage, dass sie ihn nicht liebe und aus diesem Grund auch nicht heiraten wolle. Und so kam es nie zu einer Hochzeit.

Eines Morgens kam Albert auf einer Geschäftsreise in Rostock am Stand eines Wahrsagers vorbei. Er wollte endlich wissen, wie er Margarethe (das hatte er schon herausgefunden, dass die Frau Margarethe hieß) dazu bringen konnte, ihn zu heiraten. So hielt er an und fragte: “Oh, großes Orakel, wie kann ich Magarethe dazu überreden mich zu heiraten?“ Sie antwortete mit rauer, leiser Stimme, sodass Albert sie fast nicht gehört hätte. “Junger Mann, gehe nach Norden über Lübeck hinaus und finde den Zauberer. Merlin wird Dir Dein verdientes Schicksal zuteilen.“ Albert war froh, endlich das zu kriegen, was er wollte, aber er würde die Frau nicht bekommen – das wusste er nicht, noch nicht. Er ging und fand den besagten Zauberer in einem Wäldchen hinter Lübeck. Der Zauberer lud ihn zum Tee ein und fragte Albert: “Warum bist du hier, Albert?“ „Weil ich wissen will, warum meine Zukünftige mich nicht heiraten will und was ich tun kann, damit sie mich heiratet!“ „Erstens, sie will Dich nicht heiraten, weil sie Dich nicht liebt! Und zweitens, Du kannst nichts tun! Liebe kann man nicht erzwingen! Und wer es versucht, wird ins Unglück gestürzt! Deine Strafe besteht darin, dass du zu Stein verwandelt wirst, aber nicht als stattlicher Mann, sondern als armer Bettler!“, rief der Zauberer mit bebender Stimme. „Nein, bitte nicht ich weiß, dass ich falsch gehandelt habe und die Armen verspottet habe, aber bitte, habt Erbarmen!“ Doch der Zauberer verspürte kein Mitleid mit ihm, und so wurde er in eine Statue verwandelt und von Merlin in ein Nonnenkloster gebracht, wo er als eine Brunnenstatue aufgestellt wurde. Und so war er die ganze Zeit von frommen Frauen umgeben, die ihn alle nicht heiraten wollten. Und dort steht er immer noch.

Annika Schmidt

Vor langer, langer Zeit lebten in Lübeck sehr viele Zwerge. Oft haben sie Fußball gespielt. Es gab einen Zwerg, der Fritz hieß, und er konnte sehr hoch schießen! Er hat immer weiter trainiert, und irgendwann konnte er so hoch wie ein kleines Haus schießen. Damals gab es noch keine Lederbälle. Die Zwerge spielten mit runden Kugeln aus Stein. Deshalb hatten die Ärzte damals viel zu tun, denn viele Zwerge brachen sich die Füße! In diesen Zeiten wurden auch die Malfarben erfunden. Die Zwerge fanden grün sehr schön, und deshalb malten sie alle Bälle grün an!! Auch die Mosaikplatten wurden in dieser Zeit erfunden. Bald waren die Bälle mit schönen grünen Mosaikplatten bestückt. Der Fritz konnte nun schon so hoch wie einen Kirchturm schießen. Und er schoss so viele Bälle dass vier davon auf den Ecken der Jakobikirche landeten.

Henri Stüler

Die Teufelsburg

Zu der Zeit, als Deutschland noch in viele kleine Königreiche unterteilt war, gab es ein Reich, in dem es nichts als grüne Wiesen gab. Jede Wiese war mit bunten Blumen bestückt und auf jeder gab es andere. Auf der schönsten Wiese im ganzen Königreich lag das Schloss des Königs Leibrecht. Der König hatte hunderte Steinmetze in seinem Hof, die das gewaltige Schloss in Schuss hielten und es von Moos und Dreck säuberten, doch vor allem taten sie eines: sie bauten das Schloss weiter, und immer, wenn der König Geburtstag hatte, war ein neuer Teil seines Heims fertig. Ja, es war wahrlich ein prachtvolles Wahrzeichen, selbst für einen König, der eigentlich alles hatte. Nun war es so, dass sich die Kunde vom König mit seinem prachtvollen Schloss und den vielen Wiesen in seinem Königreich schnell verbreitete. So kam es, dass die Geschichte sogar dem Teufel selbst zu Ohren kam. Er glaubte nicht, was er da hörte und wollte sich vergewissern, dass die Geschichte wahr war, denn wie konnte ein Königreich so perfekt sein, das nicht seines war? Also ging er in der nächsten Nacht, als seine Macht am stärksten war, zum Schloss des König Leibrecht. Als er dieses erblickte, wurde er wütend und in einem wilden Ehrgeiz erbaute er auch sich so ein gewaltiges Anwesen. Der Satan rief graue und schwarze Steine direkt aus der Hölle herbei, formte sie zu einer gewaltigen Burg und stellte sich hinein einen mächtigen Thron. Als der Morgen graute, war er fertig, doch als die ersten Sonnenstrahlen auf sein Werk fielen, sah seine Burg so grauenerregend aus, dass alle Vögel auf den Bäumen um sie herum aufschreckten und das Gras, auf dem sie stand, verdorrte.

Als der König Leibrecht davon hörte, dass eine schwarze Burg über Nacht auf einer  seiner prachtvollen Wiesen aufgetaucht war und diese verdorren ließ, war er schon kurz davor, eine paar Ritter zu dem grässlichen Gemäuer zu schicken, als er das Gerücht hörte, dass der Teufel persönlich in ihr hauste.

Da wurde ihm bange, denn wenn es stimmte, was gemunkelt wurde, so gab es keine Aussicht auf die Zerstörung der grässlichen Teufelsburg. Der König dachte schon, es wäre aus mit seiner schönen Wiesenlandschaft, als ihm einer seiner reitenden Boten versicherte, dass der Teufel tagsüber schlafen würde. Da kam dem König eine List und er schickte seine Steinmetze, das Heim des Teufels zu zerstören, sobald dieser schliefe. Als es dann so weit war, gingen die Handwerker mit Hämmern und Meißeln bewaffnet zur Teufelsburg. Tatsächlich schlief der Teufel, doch was die Steinmetze nicht wussten, war, dass der Eigentümer der Burg einen Warnzauber über sie gelegt hatte, bevor er schlafen ging.

Arglos wie sie waren, wollten die königlichen Steinmetze mit ihrer Arbeit anfangen, doch einer aus ihren Reihen hielt sie zurück. Er war der schlauste von der Gruppe und so hörte man ihm zu, als er sagte: „Haltet ein, ihr Narren! Wenn es wirklich der Teufel ist, der da haust, dann wird er sein Heim sicher nicht unbeaufsichtigt lassen!“. Seine Mitbeauftragten ließen sich jedoch nicht beirren und marschierten einfach weiter, doch sobald der erste Steinmetz seinen Meißel angesetzt hatte, gab es ein Grollen und mit Getöse trat der Teufel aus seiner Burg heraus. Als er sich der Lage gewiss war, rief er mit zorniger Stimme: „Ihr wolltet mein Heim zerstören? So werde ich euch alle in Steine verwandeln und mit denen meine Burg stärken!“. Und schon hatte der Teufel zwei Männer in Granitquader verwandelt. So ging es weiter, bis nur noch ein Mann und hunderte unterschiedlich geformte Steine zusammen mit dem Herrscher der Hölle auf einer ausgedorrten Wiese standen. Der eine, der noch nicht verzaubert worden war, war eben dieser, der seinen Kameraden gegenüber vorher die Warnung ausgesprochen hatte. Als der Teufel nun auch noch den letzten verwandeln wollte, wich dieser immer und immer wieder aus. Der Satan wurde langsam müde und zielte nicht mehr richtig. Als dieser wieder einen Zauber aussprach, zog der letzte Steinmetz seinen Meißel und spiegelte damit die Verwünschung. Der Teufel wurde getroffen und einen Augenblick später stand nur noch ein großer grauer Stein, der vor Zorn bebte, vor dem listigen Mann. Just in dem Moment, als der Widersacher besiegt war, verschwand auch seine Burg mitsamt allen höllischen Steinen und Verzauberten. Der einzige Stein, der noch da stand, wo er war, war der, in den der Teufel verwandelt worden war. Traurig wurde dem Überlebenden bewusst, dass seine verzauberten Freunde nicht mehr zu retten waren. Als Andenken an sie nahm er den Meißel, den er noch immer in der Hand hielt, und ritzte die Worte: „Gedenken der Gefallenen“ in den Teufelsstein. Danach fügte er noch die Buchstaben S L T hinzu, die „Stein des leidenden Teufels“ bedeuten sollten.

Er ging zum Schloss des Königs zurück und wurde dort für seine Tapferkeit mit dem Ritterschlag belohnt. Aber was war mit dem Teufel? Er hat sich irgendwann einmal befreien können, doch er ließ sich danach im Königreich von König Leibrecht nie wieder blicken. Den Stein jedoch kannst du dir immer noch ansehen und wenn du deine Hand daranlegst und die Augen schließt, kannst du immer noch die unbändig bare Wut spüren, die einst in ihm gefangen war. Auch die Inschrift lässt sich noch deutlich erkennen:

GEDENKE DER GEFALLENEN.         S. L. T

Leonard Koschmieder