Einmal Schottland und zurück

Die eine oder der andere von euch überlegt sich vielleicht, nachdem die Coronakrise überstanden ist, einen Auslandsaufenthalt zu planen. Um euch die Entscheidung etwas einfacher zu gestalten, habe ich Luise Schütze aus der Ed interviewt. Sie startete vor vier Monaten nach Schottland und ist vor Weihnachten wieder zurückgekommen.

 

Helena: Du bist jetzt schon fast 130 Tage in Schottland und hast bereits einen Artikel darüber auf unserer Homepage veröffentlicht. Darin haben wir schon etwas über den Anfang deines Auslandaufenthaltes erfahren. Was hat sich seitdem verändert?

Luise: Ich konnte mich hier sehr gut einleben, weil meine Gastmutter und meine Gastschwester sehr freundlich und offen mir gegenüber sind. Natürlich gibt es auch manchmal kleine Streitigkeiten, aber wir finden immer einen guten Weg, um diese zu lösen. Meine Gastmutter vertraut meiner Gastschwester und mir sehr, was das Zusammenleben deutlich vereinfacht. Wir essen jeden Tag zusammen, und ich gucke danach noch eine Serie mit meiner Gastmutter. Ihre Kinder wohnen auch in der Nähe, was bedeutet, dass wir diese auch sehr oft sehen. Hier haben alle so offene Herzen und sind auch inzwischen daran gewöhnt, dass meine Gastmutter regelmäßig Gastschüler:innen bei sich aufnimmt.

Helena: Das freut mich. Einige Freundinnen erzählten mir, dass sie nach einiger Zeit im Ausland anfingen, in der dort gesprochenen Sprache zu denken. Geht dir das genauso?

Luise: Also es ist jetzt nicht so, dass mein ganzes Gehirn auf Englisch umgeschaltet wurde, aber wenn ich mich zum Beispiel mit anderen Menschen hier unterhalte, denke ich schon auf Englisch, was ich ihnen antworte, aber das ist ja irgendwie klar. Manchmal träume ich auch auf Englisch, aber wenn ich mit meiner Familie oder mit Freunden telefoniere, dann denke ich natürlich wieder auf Deutsch. Ich glaube, dass das davon abhängt, wie viel man mit anderen Menschen Englisch spricht.

Du hast gesagt, dass du mit deiner Familie telefonierst. Hast du manchmal ein bisschen Heimweh?

Um ganz ehrlich zu sein, nicht wirklich. Also natürlich vermisse ich es, mit meiner Familie zu frühstücken oder mit Freunden in die Schule zu gehen. Aber ich glaube, wenn man sich wohlfühlt, wo man ist, dann hat man eigentlich auch nicht so viel Heimweh. Ich denke, dass es auf jeden Einzelnen ankommt und darauf, wie man sich beschäftigt. Wenn man viel mit seiner Familie und Freunden telefoniert, kann ich mir eher vorstellen, dass man schneller Heimweh bekommt, als wenn man mit Freunden, die man dort gefunden hat, in die Stadt geht. Also da ist auch ziemlich viel Selbstverantwortung mit dabei.

Ja das kann ich mir vorstellen. A propos in die Stadt gehen: Wie ist das in Schottland mit den Coronaregelungen?

Luise: Am Anfang musste man seine Maske nur in öffentlichen Verkehrsmitteln und in den Läden tragen, dann auch in der Schule. Inzwischen wurden die verschiedenen Gebiete der Stadt in verschiedene Stufen eingestuft. Leider ist Edinburg im Moment in Stufe drei, was bedeutet, dass ich nur noch zur Schule gehen kann und mich in der Stadt nicht mehr mit Freunden treffen kann.

Oh das ist natürlich schade. Du hast ja schon in deinem ersten Artikel über Schottland erwähnt, dass die Einheimischen nicht das Englisch, was wir in der Schule lernen, sprechen. Meine nächste Frage ist, ob du Probleme hast, das Schottisch der Einheimischen zu verstehen.

Luise: Am Anfang schon. Ich hatte etwas Angst, als ich vor meinem Auslandsaufenthalt mit meiner Gastmutter telefoniert habe, da ich sie teilweise nicht so gut verstanden habe, aber hier in Schottland habe ich mich relativ schnell daran gewöhnt und ich hatte ja auch die Möglichkeit, nachzufragen.

Kommen wir zu einem ganz anderen Thema. Musst du in Schottland Leistungsnachweise schreiben und wenn ja, werden diese in dein Zeugnis am Johanneum mit eingebracht?

Ja, also ich habe bereits „pre-exams“ geschrieben aber die richtigen „exams“ werden erst im Frühling geschrieben, wenn ich wieder in Deutschland bin. Ich habe die „pre-exams“ zwar mitgeschrieben und auch ein bisschen dafür gelernt, aber für zu Hause brauche ich keine Noten und den Stoff, den ich vom Johanneum verpasse, muss ich natürlich sowieso nachholen. Darauf werde ich mich dann in den Ferien, wenn ich wieder zu Hause bin, fokussieren.

Und wie unterscheiden sich der Lernstoff und die Ansprüche in Schottland von denen am Johanneum?

Im Moment finde ich es hier etwas schwerer als am Johanneum, aber das liegt eben daran, dass ich alles auf Englisch machen muss. Vom Lernstoff her ist es aber eigentlich einfacher, weil ich hier zum Beispiel Sachen lerne, die wir am Johanneum schon vor zwei Jahren hatten. Diese werden dann zum Beispiel mit neuen Dingen kombiniert. Allerdings werden hier auch Fächer unterrichtet, die es am Johanneum so nicht gibt. Zum Beispiel bin ich in einem „Dramakurs“, was auch sehr viel Spaß macht. Im Moment üben wir dort ein Theaterstück von Oscar Wilde ein. Was auch noch einen Unterschied macht, ist, dass es hier ein „hospitality“-Fach, also „Hauswirtschaft“ gibt, bei dem man zusammen kocht. Bei dem Fach bin ich so eine Art Hilfslehrerin und ich koche mit Kindern aus drei Jahrgängen unter mir, die sich nicht so gut konzentrieren können. Einmal in der Woche treffen wir uns und kochen in der Schule zusammen. Auf Englisch Kochen zu lernen ist richtig toll und etwas, was ich schon immer machen wollte.

Das ist schön. Meine vorletzte Frage ist vielleicht etwas anders, aber ich würde gerne von dir wissen, ob es bei dir in Schottland rote Doppeldeckerbusse gibt.

Ja, also die Busse hier sehen nicht so aus wie die hellroten Doppeldeckerbusse aus London, aber es gibt auch hier hauptsächlich Doppeldeckerbusse, die dunkelrot mit weißen Streifen sind, und samstags fahren immer alte Busse.

Das waren sehr anschauliche Einblicke. Hast du sonst noch andere Erfahrungen, die du aus deinem Auslandsaufenthalt mitgenommen hast und mit uns teilen möchtest?

Ich denke, dass es bei einem Auslandsaufenthalt am wichtigsten ist, selbstständig zu werden, denn man lernt, auf sich selbst aufzupassen. Man lernt in einem anderen Land so viel Neues. Zum Beispiel lernt man die Kultur und so viele neue Menschen kennen. Hier habe ich zum Beispiel Freunde aus Frankreich, den Niederlanden, Belgien, der Schweiz, aus Italien und natürlich auch aus Schottland gefunden.

Ich kann eigentlich jedem, der die Möglichkeit hat, einen Auslandsaufenthalt zu machen, ans Herz legen, diese zu nutzen, denn es ist so eine schöne Erfahrung und man lernt so viel dazu.

Vielen Dank, dass Du Deine Erfahrungen mit uns geteilt hast.

Helena Schuchard, Eb