Respectus brevis supra umerum

Wenn man jetzt einen Schritt nach draußen wagt und die Blätter des Herbstes fallen sieht, wer beginnt da nicht, über die Zeit zu grübeln? Jede:r? Niemand? Doch tun wir, als würden wir sinnieren wollen; und wenn wir schon so tun, warum dann nicht so, als seien wir eine Person der alten Zeit, die einen Ort unserer Zeit entdeckt?

So nun nahm mich der Lateinkurs des 8. Jahrgangs in Empfang: Nichts als caritas konnte ich der curiositas und diligentia der Schüler:innen entgegenbringen. Der Kurs hatte erst eigene Charaktere entworfen und diese dann Orte der Gegenwart erleben lassen. Folgend zwei der großartigen opera cogitationis:

‚Metilia war gerade noch mit anderen Sklaven auf einem Weizenfeld und erntete, als sie ein lautes Brummen hörte. Sie sah auf und erschreckte sich sehr, denn an Stelle der anderen Sklaven stand dort ein riesiges Etwas mit Rädern und einer langen runden Querstange vornedran. Es fuhr über den Weizen und hinterließ dort nur eine abgemähte leere Fläche. Metilia war verschreckt und starrte auf das laute Monstrum. Als sich der Mähdrescher in ihre Richtung wandte und auf sie zugefahren kam, erwachte sie aus ihrer Starre und rannte los: bloß weg von diesem gruseligen Riesending.

Plötzlich waren die Motorengeräusche verstummt und sie nahm die Stimmen der anderen Sklaven, mit denen sie auf dem Feld gearbeitet hatte, wieder wahr. Vorsichtig guckte sie sich um und stellte fest, dass sie sich wieder auf dem Feld befand, zwischen den anderen Sklaven. Komisch…
Schnell machte sie sich wieder an ihre Arbeit.‘ – Helene

‚Ich saß gerade auf einem Platz im Kolosseum mit meinen Freunden Cornelius und Paulus. Die Sonne schien mir ins Gesicht und es war heiß. Trotzdem konnte das meine Laune nicht trüben, denn vor mir lieferten sich gerade ein Tiger und ein Gladiator einen grandiosen Kampf. Der Retiarius wurde von dem Tiger angesprungen, doch mehr sah ich nicht mehr, denn mir wurde schwarz vor Augen. Ich hörte noch ein: „Alles gut, Saphira?“, dann versank ich im Dunkel. Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem Boden und der blaue Himmel strahlte mir entgegen. Ich lag im Sand. Um mich herum waren Ruinen und ich sah merkwürdig gekleidete Leute rumstehen, die komische Dinge um den Hals oder in der Hand trugen. Ich blinzelte verzweifelt. Als ich die Augen wieder öffnete, hatte sich nichts geändert. Ich stand auf und wischte mir den Sand von meinem schwarzen Kleid. Ich wollte schreien, doch dann kontrollierte ich mich und setzte einen gelangweilten Blick auf.
Schließlich entschloss ich mich dazu, mich ein bisschen umzusehen. Ich schritt die halb verfallene Ruine ab, aber irgendwas kam mir daran bekannt vor. Plötzlich sagte jemand etwas zu mir. Ich drehte mich um. Dann setzte ich einen herablassenden Blick auf und musterte denjenigen von oben bis unten. Es war ein kleiner Mann, der komische Hosen trug und ein bedrucktes Oberteil anhatte. Ich fragte genervt: „Ist was?“ Der Mann starrte mich an und meinte dann: „Woher hast du dieses altrömische Kleid? Es sieht genauso aus wie von früher. Außerdem, wo sind deine Eltern? Du siehst noch so jung aus!“ Ich guckte ihn spöttisch an: „Was sagst du da? Altrömisch?! Sag mal, geht’s noch, das ist heute Mode. Außerdem bin ich 14, du Depp!“ Mit diesen Worten drehte ich mich um und stolzierte weg.

Doch dann kamen mir seine Worte in den Sinn: „Altrömische Kleidung…“ Was war das hier und wieso kam mir das so bekannt vor? Das Kolosseum! Nein, das kann nicht sein. Doch, es sieht ihm so ähnlich. Diese Gedanken schossen mir in den Kopf.

Doch bevor ich weiterdenken konnte, wurde mir wieder schwarz vor Augen, und als ich diese aufschlug, sah ich Paulus und Cornelius Gesicht vor mir. Puh, zum Glück. Sie sagten aufgeregt: „Du hast dich plötzlich nicht mehr bewegt.“ Ich lachte etwas unsicher und sagte: „Alles gut, Jungs.“ Doch als ich später zurück zu unserem domum lief, war ich mir da nicht mehr ganz so sicher.‘ – Thorid

Auf diese Weise ermöglichte dieser Kurs mir zweimal, auf die schöne Zeit des Johanneums zurückzublicken.

Abeamus in futurum! Nonne electio nobis est?
Mundus enim se volvens iterum in bivium pervenit.

Logan Meitner