Die Magie der Sprache

Ein Buch, das verzaubert, beängstigt und emotional mitreißt. „Babel“ von R.F. Kuang, erschienen am 28.04.2023, ist eine vielfältige Geschichte, die dem dark academia Stil alle Ehre erweist. 

Die Handlung beginnt 1828 mit dem Protagonisten Robin Swift, der schon in jungen Jahren seinem Heimatland Kanton entrissen und von einem englischen Professor nach England gebracht wird. Dort startet der junge Robin ein neues Leben und wird gleichzeitig für die Eliteuniversität Oxford in alten Sprachen wie Latein und Griechisch ausgebildet. Nach einigen Jahren harter Arbeit wird er am königlichen Institut für Übersetzung angenommen und beginnt seinen Studienalltag in Babel. Der Turm, der gleichzeitig auch das Machtzentrum Englands ist, wird zu Robins Alltag. Mit seinen Freunden genießt er die langen Tage des Lernens oder die nächtlichen Büchereibesuche. Doch schon nach einiger Zeit merkt der Student, dass die faszinierende Fassade Oxfords mehr zu bröckeln scheint und dahinter die grausamen Taten des Instituts zum Vorschein kommen. Zusammen mit seinen Freunden beginnt der Kampf gegen ein ganzes Imperium, dessen Ende ungewiss ist.

Das Buch bezieht sich viel auf die Sprache und das Thema Philologie, sodass das Buch voll mit Erklärungen von bestimmten Wörtern ist. So werden zum Beispiel Herkunft und Bedeutung genauer erläutert, wodurch man stetig etwas Neues lernt. Die Handlung ist in einem langsamen Erzähltempo gehalten, da viel vom Universitätsalltag der Charaktere berichtet wird, jedoch ist das Lesen keineswegs langweilig, da die Faszination der Sprache von Charakteren auf den Leser übergeht. Es ist unglaublich spannend zu erfahren, in welchen Sprachen bestimmte Wörter ihren Ursprung haben und wie sie sich im Laufe der Zeit entwickelten. Dies rührt auch daher, dass die Autorin selbst Philologie (Erforschung von Sprachen) studiert hat. Das Handlung an sich umfasst einen sehr langen Zeitraum, um genau zu sagen, die vier Studienjahre der Studenten. Gerade durch diese lange Zeitspanne merkt man, wie mit jedem neuen Abschnitt die schöne heitere Welt der Universität dunkle Flecken bekommt. Zu Beginn war der Protagonist noch überwältigt von der Schönheit Oxofords, doch mit den Jahren ist diese Begeisterung mehr und mehr in den Hintergrund gerückt, da die Figuren endlich die wahre Welt gesehen haben, die von Armut und dem Silberwahn beherrscht wurde. 

Dadurch, dass das Buch im 19. Jahrhundert spielt, ist der Kolonialismus ein großes Thema. Das Konzept von Babel zieht es vor, ausländische Studenten anzuwerben, damit sie eine möglichst große Sprachvielfalt besitzen. Doch das Problem ist, dass Robin und seine Freunde alle ihren Heimatländern und Familien von weißen Engländern entrissen worden sind. Es wurde eine Namensänderung vollzogen, damit sie „englischer“ klingen und auch ihre Aussprache wurde bis aufs Kleinste verfeinert, damit man ja nicht hört, wo sie ursprünglich herkommen. Der beschriebene Rassismus ist einfach nur gravierend und absolut beunruhigend. 

Gerade die Charakterentwicklung von Robin zeigt, wie schlimm die Ausmaße wirklich sind. Der anfangs verängstigte Junge, der nach England gebracht wurde, hat in Oxford endlich gelernt, dass die Welt um ihn herum, außerhalb der Bücher, schrecklich ist. Erst als er von dem Geheimbund Hermes angeworben wurde, begann Robin endlich, an der imperialen Macht Englands zu zweifeln. Robin erlebt als Protagonist eine dramatische Geschichte, die ihn schlussendlich auch teilweise zum Antagonisten gemacht hat, da seine moralischen Vorstellungen durch Rache getrieben, nicht mehr nachvollziehbar waren. 

Diese ganze Ungleichheit hat sich bis zum Ende des Buches aufgestaut wie ein Fass, dass endlich übergelaufen ist. Der Schluss der Geschichte war emotionale Glanzleistung der Autorin, und die tragische Geschichte von Robin Swift konnte endlich ein Ende nehmen.

Der Schreibstil ist verzaubernd und schön, dennoch ist er anspruchsvoll und komplex, weshalb man sich länger Zeit nehmen sollte, um dieses Buch zu lesen. 

Zusammenfassend ist „Babel“ ein Meisterwerk der Geschichtenerzählung, da es eine unglaubliche Charakterentwicklung hervorbringt, sowie einen faszinierenden Schreibstil. Das Ganze ist in einem wunderschönen dark acamdemia Stil beschrieben und zeigt die Schattenseiten Englands im 19. Jahrhundert. 

Sophie-Linh Effenberger, Eb