„Why we matter“

Privilegien können auch mit Jokern in Kartenspielen verglichen werden. Wir bekommen alle die gleichen Karten, und manche von uns bekommen von vornherein eine unbegrenzte Anzahl von Jokern, einfach so. […] Die Joker allein können den Gewinn nicht gewährleisten, sie helfen aber unheimlich. Die Joker werden an Menschen verteilt, die einer oder mehreren Facetten der erzeugten Überlegenheit entsprechen: weiß, heterosexuell, cis, aus der Mittelschicht, männlich, ohne Behinderung, dünn, jung und konventionell schön.“

In „Why we matter“ hält Emilia Roig unserer Gesellschaft schonungslos ehrlich den Spiegel vor. Sie deckt Diskriminierungsmuster auf und erzählt von ihren eigenen Erfahrungen als Person Of Colour, Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters.

In mehreren Kapiteln über Diskriminierung zu Hause, im Bildungs-, Justiz- und Gesundheitssystem, in den Medien, bei der Arbeit und auf der Straße beleuchtet die Autorin tiefsitzende Vorurteile und strukturelle Probleme. Sie bringt auf den Punkt, wie Diskrimierungserfahrungen Menschen prägen und über Generationen hinweg weitergegeben werden.

Tiefgreifend und wachrüttelnd erzählt die französische Autorin und studierte Politikwissenschaftlerin von Rassismus, Sexismus, dem Patriarchat, Antiziganismus, Antisemitismus und LGBTQIA+-Feindlichkeiten. Roig schafft es, Themen aus dem öffentlichen Diskurs verständlich und lebensnah aufzuarbeiten und scheut sich nicht davor, Diskriminierung und Benachteiligung auch als solche zu benennen.

Ich bin in einer rassistischen Familie groß geworden. […] Das wurde mir noch einmal eindrucksvoll bestätigt, als ich im Rahmen einer ARTE-Dokumentation über das Thema Gerechtigkeit, meinen Großvater väterlicherseits interviewt habe. Er freute sich sehr, mich zu sehen, umarmte und küsste mich. Nach dem Kamera- und Soundcheck stellte ich meine erste Frage: „Opa, was ist für dich das größte Problem, mit dem unsere Gesellschaft konfrontiert ist?“ Mir stand nach seiner Antwort ein paar Sekunden vor Erstaunen der Mund offen: „Die Rassenmischung ist das größte Problem unserer Zeit.“ Trotz meines Erstaunens wusste ich, dass er sich der Absurdität der Situation nicht bewusst war. Daran, dass eine solche Aussage mich verletzen könnte, hat er offensichtlich nicht gedacht.“

Solche Diskriminierungserfahrungen müssen weiße Menschen nicht machen. Ganz einfach, weil sie „mehr Joker im Lebensspiel haben“. Darüber vergessen sie häufig, dass rassistische Erfahrungen für People of Colour zum Alltag gehören. Weil wir aber alle zusammen eine Gesellschaft bilden, ist es besonders für weiße, priviligierte Menschen wichtig, sich mit den Problemen von Diskriminierung auseinanderzusetzten.

Why we matter“ bleibt aber nicht bei der Gesellschaftkritik stehen, vielmehr zeigt Emilia Roig auch Verbesserungsmöglichkeiten auf. Ein Weg zur Veränderung stellt für sie die „radikale Selbstliebe“ dar, die einen „neuen Rahmen für das Denken, Handeln und Fühlen“ bilden kann. Ihr Ziel ist ein kollektiver Bewusstseinswandel […], hin zu mehr Verbindung, mehr Einheit, mehr Empathie und schließlich mehr Liebe“. Und Liebe ist das, was wir in den heutigen Zeiten des Rechtsrucks und der fehlenden Toleranz an vielen Stellen wirklich für unsere Welt brauchen.

Annika Fehring, Q1b, für die Presse- und Anti-Diskriminierungs-AG