Vom Fahrenden zum Mitfahrenden

In den Sommerferien besuchte ich die Young Leaders Akademie, die von einigen Lehrer:innen des Johanneums empfohlen wurde. Ein Thema dieses Aufenthaltes war das autonome Fahren – und was viele nicht wissen: Auch in Lübeck wird daran geforscht! Lest hier in meinem Artikel, ob Lübeck bald fahrerlos sein wird.

Lübeck mischt mit in Sachen autonomes Fahren. Die Firma Gestigon startet zukunftsorientiert durch und schafft mithilfe von Bildverarbeitungsoftware ein sicheres Fahrgefühl. Das autonome Fahren wird weltweit ein immer wichtigeres Thema und sorgt für zahlreiche Innovationen innerhalb der Automobilindustrie. Amerika ist jetzt schon auf dem Vorstoß in Sachen selbstfahrenden Autos,
doch wird auch Lübeck in einigen Jahren eine Stadt sein, in der die Rolle des Fahrers nur noch zweitrangig ist?
Das Taxi ist bestellt und man wartet in der Kälte auf das herannahende Gefährt. Ungeduldig schaut man immer wieder auf das Handy, ärgert sich über die Wartezeit und hofft, dass der Taxifahrer nicht allzu gesprächig ist. Schon aus der Ferne sieht man ein ungewöhnliches Auto mit einem großen schwarzen Zusatz auf dem Dach. Es ist das bestellte Taxi. Doch ein Blick durch die Scheibe und etwas fällt sofort auf. Gegenüber des Lenkrads lässt sich kein Fahrer finden und allgemein wird das Fahrzeug von unglaublicher Stille begleitet. Fast geisterhaft fährt das Taxi einen durch den Straßenverkehr, vollzieht Spurwechsel, bremst, gibt Gas. Eine Szene, die wir uns hier in Lübeck kaum vorstellen können, doch in einigen wenigen Ländern schon zum Alltag gehört.
Das Robotaxi von Waymo, einer Schwesterfirma von Google, ist bisher eines der ersten fahrerlosen Taxis. In vier Städten der USA gehört das weiße Auto mit seiner Kamera auf dem Dach bereits zum Stadtbild und bringt Menschen zu ihren Wunschorten. Mithilfe von Kameras und zusätzlichen Sensoren stehen die Taxis 24 Stunden sieben Tage die Woche zur Verfügung. Jetzt neu an Bord ist Hyundai, die mit ihren Modell Ioniq 5 ebenfalls mit selbstfahrenden Autos in den Straßenverkehr einziehen wollen. Bereits in den US-Städten San Francisco, Los Angeles, Phoenix und Austin können Passagiere die Dienste der Firma nutzen.
Währenddessen versucht auch der Milliardär Elon Musk, Leiter des Elektroautoherstellers Tesla, auf dem Markt des autonomen Fahrens mit neuen Innovationen im Rennen um die Robotaxis aufzuholen. Das neue Robotaxi „CyberCab“ wurde vor wenigen Tagen am 10.10.24 bei einem Event vorgestellt.
Wirft man einen Blick auf Deutschland, so hält sich das autonome Fahren zurück. So hatten Bundestag und Bundesrat erst im Mai 2021 einem Gesetz zugestimmt, wonach autonome Fahrzeuge legal am Straßenverkehr teilnehmen dürfen. Deutsche Autohersteller versuchen zwar mit den amerikanischen Konkurrenten mitzuhalten, bewegen sich aber vorsichtiger auf dem Gebiet. So hat BMW jedoch schon 2019 einen eigenen BMW-Campus gegründet, in dem um die 1700 Spezialisten an Software-Algorithmen für automatisiertes Fahren arbeiten. Aber auch Mercedes erweist Fortschritte, denn dieser war der erste Autohersteller in Deutschland mit der Zulassung für den Drive Pilot. Es handelt sich hierbei um einen Fahrassistenten, der in einer Stausituation auf der Autobahn bei Geschwindigkeiten bis zu 60 km/h die Fahraufgaben übernimmt.
Doch gerade vom BMW-Chef Oliver Zipse hagelte es auf der CES 2023, einer Elektronikmesse in Las Vegas, Kritik. Denn dieser zweifelt die Verkaufsfähigkeit eines solchen Wagens an, denn die Level-3-Systeme würden nicht bei Nacht, Regen oder Nebel funktionieren, hätten dennoch einen enormen Aufpreis beim Kauf eines solchen Autos.
Auch hier in Lübeck arbeitet die Firma Gestigon, welche 2017 von Valeo übernommen wurde, am Fachbereich autonomes Fahren. Sie entwickelt eine 3D-Bildverarbeitungssoftware für Gesten- und Bewegungserkennung. Es soll ein Sicherheitsgefühl geschaffen werden, das auf den Benutzer definiert ist. Denn Sicherheit entstehe mit der Interaktion von Technologien. Neben dem bestehenden Driver Monitoring System von Valeo, bietet die Software von Gestigon eine große Bandbreite an Funktionen zur Objekt- und Insassenerkennung. Zukünftig ist es möglich, auch das Fahrzeugumfeld zu analysieren und Sicherheitsbedürfnisse der Mitfahrenden anzupassen, wie die Einleitung des Airbags. Mithilfe von Kameras können gefährliche Fahrsituationen frühzeitig erkannt werden, und der Airbag löst sich bereits wenige Sekunden vor einem Aufprall.
Doch welcher Mehrwert kann aus dem autonomen Fahren gewonnen werden? Denn selbstfahrende Autos bringen eine Menge Vorteile mit sich, der größte ist die Nachhaltigkeit. Durch eine angepasste Fahrweise können Staus vermieden werden und ein besserer Verkehrsfluss entsteht. Dies führt zu geringeren Kraftstoffverbräuchen und eine niedrigere Umweltbelastung entsteht.
Auch Sharing-Modelle sollen mithilfe autonomer Fahrzeuge zum Einsatz kommen, sodass umweltschädliche Individualfahrten reduziert werden. So sagt Mathias Mitteregger, Koordinator eines Forschungsprojekts zur Bedeutung autonomer und vernetzter Fahrzeuge im städtischen Raum der TU Wien, dass gezielt eingesetzt, automatisierte Fahrzeuge hochqualitative Mobilitätsservices in Gebieten ermöglichen, in denen der klassische öffentliche Nahverkehr scheitere.
Neben den nachhaltigen Aspekten bringt das autonome Fahren auch jegliche ungeklärte Fragen mit sich. So gibt es weiterhin keine weitgreifenden rechtlichen Aspekte, da bei dem Falle eines Unfalls die Situation ganz anders bewertet werden müsste. Dies führt auch in dem Fachbereich der Ethik zu zahlreichen Überlegungen. Denn wer trägt die Schuld? Der Fahrer oder der Autohersteller?
Ebenso lässt sich das wohl berühmte philosophische Gedankenspiel des Trolley-Problems wiederfinden. Angenommen die Bremse eines Autos versagt und der Fahrer hat keine Möglichkeit, die Führung zu übernehmen, da es von einer künstlichen Intelligenz gesteuert wird. Geradeaus ist ein viel begangener Straßenübergang, an den Seiten lediglich die Leitplanken. Wofür entscheidet sich die KI nun? Entweder es steuert in die Leitplanke hinein und es besteht das Risiko einer Tötung der Insassen oder es fährt in die Menschenmenge des Straßenübergangs. Da ein autonom gesteuertes Fahrzeug keine Moral besitzt, auf dessen Grundlage es Entscheidungen trifft, machen es solche Szenarien schwer, eine vollständige Erlaubnis für ebendiese PKWs zu erhalten.
Als Fazit kann gesagt werden, dass autonomes Fahren das weitere Leben beeinflussen wird und den Markt neu aufmischen wird. Bis die Lübecker mit einem Robotaxi abgeholt werden, mag wohl noch seine Zeit dauern. Neben den langsam voranschreitenden rechtlichen Bestimmungen fehlt es ebenso noch an der Bereitschaft, die Rolle des Fahrers bewusst abzugeben. Dennoch ist der
Grundstein für die Zukunft bereits gelegt.

Sophie-Linh Effenberger, Q2b