Meister des Pro und Contra

„Die Leute müssen endlich anfangen, sich auch mit vermeintlich abwegigen Meinungen argumentativ auseinanderzusetzen“ – mit diesen Worten begrüßte Julika Stenzel die Gäste zur siebten Lübecker Debattiermeisterschaft. Vor vollgefüllten Reihen des Lübecker Bürgerschaftssaals argumentierten Schülerteams aller Lübecker Gymnasien zu Themen wie „Fridays For Future“ oder der Umbenennung von nach Personen benannten Straßen – und am Ende des Tages wurde ein Siegerteam gekürt.

Wofür sind Debatten überhaupt gut? Im Gegensatz zu Diskussionen, bei denen man sein Gegenüber zu überzeugen versucht, werden Debatten in den Parlamenten geführt, um die Ansichten der verschiedenen Parteien nach außen zu transportieren. Deshalb stellen sie einen wichtigen Teil unserer indirekten Demokratie dar, den uns unsere Trainerin Julika Stenzel uns in den letzten vier Wochen nähergebracht hat.

Bei den Debatten sollen klare, abgegrenzte Meinungen vertreten und keine Kompromisse gefunden werden. Da allerdings die Positionen pro oder contra zugelost werden, kommt es durchaus vor, dass man das völlige Gegenteil seiner eigentlichen Überzeugung vertreten muss. Deshalb muss man sich auch in Positionen hineindenken, die das völlige Gegenteil der eigenen Ansicht darstellen und trotzdem überzeugende Argumente dafür finden. Dadurch kam eine viel objektivere Sicht und argumentbezogenere Betrachtung zustande, weil es ja nicht darum ging, seine persönliche Meinung durchzusetzen, sondern die beste Argumentation und das überzeugendste Auftreten zu haben.

An Feuer fehlte es den Debatten trotz allem selten: Nicht wenige Debatten mussten vom Präsidenten unterbrochen werden, da die Reden durch zu viele Zwischenrufe gestört wurden. Der sehr konfrontative British Parliamentary Style, in dem wir debattierten, erinnerte beispielsweise in unserer Brexit-Debatte doch sehr an die teils sehr lebhaften Umstände im britischen Unterhaus.

Aber durch das intensive Training wurden uns das Format vom Reden Halten und Debattieren am Ende so vertraut, dass wir schließlich im Rathaus vor großem Publikum mehr oder weniger gelassen auftreten konnten. Im Bürgerschaftssaal, wo sonst das Stadtparlament tagt und seine Debatten hält, wurden zunächst in zwei Halbfinalen die Teilnehmer der Finaldebatte bestimmt. Obwohl wir nicht zu diesen „Auserwählten“ gehörten, war es trotzdem sehr spannend, die hitzige Finaldebatte zu verfolgen, aus der schließlich die eröffnende Opposition, das Team des Trave-Gymnasiums, als Sieger hervorging.

Insgesamt hat dieser Samstag als krönender Abschluss von vier intensiven Wochenenden gedient, in denen wir unglaublich viel gelernt haben. Deshalb danken wir an erster Stelle der Michael-Haukohl-Stiftung, die dieses Rhetorik-Stipendium überhaupt ermöglicht hat! Auch unserer Trainerin Julika Stenzel sowie dem Chefjuroren Dr. Bernd Hoefer möchten wir stellvertretend für die gesamte Jury ganz herzlich für ihr Engagement danken! Das argumentative „Austoben“ und losgelöste Betrachten von Argumenten hat uns eine neue Herangehensweise an kontroverse Themen gezeigt, die hoffentlich auch in unserer Gesellschaft wieder ein besseres Verständnis für Andersdenkende und ein näheres aufeinander Zukommen ermöglichen kann – denn wie Julika Stenzel meinte, fördert das Debattieren die respektvolle Auseinandersetzung miteinander.

Svenja Benkert, Q1b, die gemeinsam mit Cenk Kartal für das Johanneum antrat