Wenn Mathe wach macht

Die Straßen der Innenstadt waren menschenleer und wirkten wie ausgestorben. Die ruhige Nacht hatte sich mit den Häusern schlafen gelegt und es war totenstill. Fast schon gespenstisch. Einzig  die Straßenlaternen spendeten fahles Licht, das sich in die engen Gassen schlich und wie Nebel um die Backsteine waberte. Nur hinter den Fenstern des Johanneums, die wie zugekniffene Augen aussahen, brannte noch Licht.

Wir schreiben den 22.11.2019. Die Lange Nacht der Mathematik beginnt.

18:00 Uhr

Das aufgeregte Murmeln der Fünft- und Achtklässler*innen unterbricht die frühabendliche Stille. Mitten unter ihnen und ein paar Eltern: Herr Langhans. Noch sind alle bei Kräften. Noch. Die Menschentraube verlässt den Schulhof und verschwindet hinter der schweren Kellertür, die sie in die Dunkelheit der Schule zieht und sie verschluckt. Die schweigenden Räume werden mit Stimmen gefüllt und nach dem Vorbereiten der Klassenzimmer trennen sich die Wege der 5d und der 8d. In den Gängen ist es düster und von mal zu mal meint man, einen schwarzen Schatten vorbeihuschen zu sehen.

20:00 Uhr

Alle sind am rechnen, die Köpfe rauchen und die gespenstische Stille scheint verflogen zu sein. Die anfänglich voll bestückten Buffets sind genauso leergefegt wie die Straßen vor dem Johanneum. Ein paar grüne Felder auf dem Bildschirm des Computers lassen auf ein baldiges Ende der ersten Runde hoffen.

22:00 Uhr

Die ersten Augen lassen sich nur noch schwer offen halten, und die anfängliche Stille kehrt langsam aber sicher wieder ein. Beide Klassen spielen für einen höheren Jahrgang und kommen nur mühsam weiter. Doch es heißt: Endspurt mit nur noch drei fehlenden Aufgaben. Die Tafeln sind fast nicht mehr zu erkennen unter den wirr durcheinander geschriebenen Zahlen und Zeichnungen.

24:00 Uhr, erster Anruf bei der Mathe-Nacht-Hotline

Während sich die Fünftklässler*innen mit den wenigen Eltern auf den Weg ins warme Bett machen, bleibt die 8d weiterhin tapfer auf den Beinen. Ein paar wenige Schüler*innen machen ein kleines Nickerchen und eine Stunde später wird die Stimmung durch ein Versteckspiel auf dem leeren Schulhof aufgeheizt.

2:00 Uhr, fünfter Anruf bei der Hotline

Endlich in der zweiten Runde sitzen alle wieder ein wenig mehr motiviert, während Herr Langhans bereits ans Hinlegen denkt. Verständlich, um diese Uhrzeit sind wir vermutlich sehr anstrengend.

4:00 Uhr, neunter Anruf bei der Hotline

Ein paar Hartnäckige sitzen immer noch schlaff auf ihren Stühlen, während die Hälfte schlummernd zwischen den Tischen mit oder ohne Schlafsack liegt.

6:00 Uhr, sechzehnter Anruf bei der Hotline

Langsam können wir die freundlichen Stimmen am Ende der Hotline nicht mehr hören und hoffen nur noch auf die Lösungen. Die Stimmung ist bereits im Keller, während die Wachgebliebenen immer noch im dritten Stockwerk hocken und auf einen Geistesblitz warten.

8:00, Hotline ist nicht mehr erreichbar

Vor einer Stunde hat sich Herr Langhans wieder blicken lassen, und nun kommen auch die, die durchgemacht haben, auf die Idee, sich auf den Tischen auszuruhen – doch zu spät, nun muss aufgeräumt werden und die halbwegs Ausgeschlafenen kommen tapsend die Treppen zum 3. Stockwerk hinauf. Alle werden abgeholt und zu Hause wird der ein oder andere wohl noch eine Weile geschlafen haben. – Auf eine weiter Lange Nacht der Mathematik!

Es ist totenstill im Johanneum und die Flure sind dunkel und menschenleer.

Texte: Josefin Greve, Daria Serdiuk und Minou Tabatabai, 8d

Fotos: Kai Langhans