Mehr als „quaranta giorni“ – wie Quarantäne die Welt beeinflusst

Während wir jetzt im Juni wieder vergleichsweise entspannt in Straßencafés sitzen können, begleiten uns doch die Erinnerung an die Zeit des Lockdowns im März und April und auch das fortdauernde Risiko, in Quarantäne gehen zu müssen. Jiahui Wang aus der Q1 ist der Geschichte und der gegenwärtigen Präsenz des Begriffs nachgegangen.

Dieser Kommentar entsteht inmitten einer Zeit, die den Zusammenhalt der Gesellschaft auf ganzen Welt fordert. Viele Menschen verfallen in Verständnislosigkeit und Hilflosigkeit und es zeigt sich, wie egoistisch Menschen denken und handeln können.

Stand jetzt, 21. März 2020, befindet sich der Großteil der Menschen in Europa, Asien und Amerika in Quarantäne wegen des Ausbruchs des Coronavirus. Dieser Virus lässt die ganze Welt den Atem anhalten. Wortwörtlich. Durch die enorme Ansteckungsgefahr durch Tröpfcheninfektion ist es in den vergangenen zwei Wochen in ganz Europa zu Ausnahmezuständen gekommen. Ein Anstieg der Tödlichkeitsrate zieht die Menschen noch weiter hinein in den Strudel aus Verzweiflung und Machtlosigkeit. Leergefegte Straßen, leergekaufte Supermärkte (vor allem die Regale mit Klopapier) und ach ja, Musikfestivals. Neuerdings auf dem eigenen Balkon in Italien wegen der Ausgangssperre.

Das Wort „Quarantäne“. Bis vor kurzem bei Jugendlichen wahrscheinlich den meisten noch gar kein Begriff. Doch spätestens nach den Maßnahmen, die nun auch in Deutschland ergriffen wurden, um die rasante Verbreitung des Coronavirus zu stoppen, wird jeder Mensch in Deutschland das Wort kennen. „Ganz Deutschland steht jetzt unter Quarantäne“, „Wieso müssen wir in häusliche Quarantäne?“, „Merkel unter Quarantäne“. Schlagzeilen in den sozialen Medien und in den Nachrichten. Innerhalb eines so kurzen Zeitraums wurde das Wort so bekannt wie noch nie zuvor. Man soll sich also als Schutzmaßnahme vor einer ansteckenden Krankheit in eine vorübergehende Isolation begeben, um die Ausbreitung der Krankheit zu minimieren. Doch wie kam gerade „Quarantäne“ als Wort für eine solche Isolation den Menschen in den Sinn? Wie entstand dieses Fremdwort ursprünglich und woher kommt es? Was für Auswirkungen kann das Leben unter Quarantäne über einen längeren Zeitraum für den Menschen haben? Wie kann der Begriff der Quarantäne für so viel Aufsehen in den sozialen Medien sorgen?

Dazu betrachten wir nun den Hintergrund und die Entwicklung des Wortes „Quarantäne“ etwas genauer. Der deutsche Ausdruck „Quarantäne“ entlehnt sich aus dem gleichbedeutenden italienischen Wort quarantena. Schon um 1400 hat Italien ein Verbot für Schiffe ausgesprochen, die pestverdächtig waren. Die Reisenden auf diesen Schiffen mussten sich dann 40 (italienisch: quaranta) Tage lang in isolierten Lazaretten aufhalten, um die Inkubationszeit der Krankheit zu überstehen. Man hat also schon damals den Begriff der Quarantäne als eine vorübergehende Isolation verstanden. Es ist schon ironisch, wenn man bedenkt, dass gerade nun die Bürger:innen in Italien die Quarantäne-Maßnahmen gegen den Coronavirus am deutlichsten zu spüren bekommen. Früher waren Reisende auf Schiffen die wahrscheinlichste Ursache, Seuchen wie Cholera, Gelbfieber, Pest oder Pocken einzuschleppen. Daher gibt es, heute immer noch, eine Quarantäne-Flagge an Schiffen, um die Menschen an Land vor einer möglichen Seuche zu warnen. Die komplett gelb gefärbte Flagge soll zeigen, dass alle Menschen an Bord des Schiffes gesund sind. Wird diese Flagge mit dem Buchstaben Q des internationalen Flaggenalphabets über die Flagge mit dem Buchstaben L gesetzt, stuft man das Schiff als seuchenverdächtig ein.

Aber Quarantäne muss sich  nicht zwanghaft nur auf Lebewesen beziehen. In einer Zeit, in der Technologie immer weiter an Bedeutung gewinnt, ist es nicht verwunderlich, dass der Begriff der „Quarantäne“ auch im IT-Bereich genutzt werden kann. Denn das Wort passt gut: Man soll Schadsoftware wie Trojaner oder Viren in Quarantäne verschieben. Es bedeutet eigentlich genau das, was man sich denkt. Aber wieso denn Quarantäne, wenn man die Schadsoftware auch löschen kann? Es ist nicht leicht, einen Virus zu erkennen, das gilt auch für Anti-Viren-Programme. Wenn man dann aus Versehen eine Datei löscht, die eigentlich harmlos oder gar notwendig für den Computer ist, hat man ein Problem. Daher soll man solche Viren-Programme in Quarantäne verschieben, da diese dann isoliert sind und auch keinen Schaden mehr anrichten können.

Neben der Pandemie des COVID-19 denkt man bei „Quarantäne“ auch an den Vorfall in Australien mit der Spanischen Grippe oder an die Pockenausbrüche in Deutschland um 1960. Schon damals halfen die Isolierungsmaßnahmen, die rasante Ausbreitung der Krankheiten zu stoppen.

Aber wenn man Wochen oder gar Monate nur mit denselben Menschen tagtäglich Zeit verbringt und jeden Tag nur gefühlt denselben Aktivitäten nachgeht, kommt es bei manchen Menschen früher oder später zu mentalen Problemen. Solche psychischen Folgen können Angstzustände, Depressionen oder auch Schlafprobleme sein. Die sozialen Medien können uns heutzutage stark beeinflussen. So ist es ratsam, sich nicht den ganzen Tag von negativen Meldungen aus den Nachrichten herunterziehen zu lassen. Man sollte sich anderweitig ablenken, die Zeit mit der Familie genießen. Auch zu versuchen, hoffnungsvoll zu bleiben und sich auf die positiven Dinge im Leben zu konzentrieren.

In dieser Zeit verändert nicht nur der zunehmende Konsum von Internet das Verhalten der Menschen, auch das Wort „Quarantäne“ verändert sich. Es verbreitet sich so schnell in der Gesellschaft, jeder benutzt es, als wäre es auch eine Art Virus. Nur nicht physisch krankmachend, sondern psychisch.

Die schnelle und explosionsartige Ausbreitung des Wortes hängt mit dem vermehrten Nutzen von Social Media zusammen. Auch durch das Gucken von Nachrichten bekommen viele Menschen mit, wie sie sich in der jetzigen Situation zu verhalten haben, also in Quarantäne zu bleiben. Auch die Maßnahme der Regierung, Schulen zu schließen, wird einen Einfluss auf die Bekanntheit des Wortes gehabt haben. Da viele Jugendliche durch die Schulschließungen nun viel Zeit zu Hause verbringen, haben sie dementsprechend mehr Zeit, auf Social Media zu surfen. Dabei verändern sich aber neben dem Sinn auch die Wichtigkeit und Ernsthaftigkeit dieses Wortes. „Quarantäne“ ist nicht nur mehr ein mahnender Begriff für die Jugendliche, sondern auch zu einer Art Belustigung geworden. Bilder und Kommentare auf sozialen Netzwerken wie Instagram, Twitter oder auch Videos auf Youtube zeigen Menschen mit haufenweise Klopapier daheim, das Arbeiten im HomeOffice, „Memes“ über Hygieneartikel und das Händewaschen.

Diese Entwicklung des Wortes verdeutlicht, was für einen großen Einfluss die sozialen Medien nicht nur auf die Denkweise und mentale Einstellung eines Menschen haben, sondern auch, wie sie Menschen verändern, ja sogar manipulieren können. Ursprünglich noch ein ernsthafter Begriff, der in den Nachrichten vorkommt, stellt „Quarantäne“ nun die Lachnummer in Unterhaltungen am Telefon dar. Denn auch wenn solche Späße oft nur als Spaß gemeint sind, gibt es Menschen, die sich gegen die Anordnung der Regierung stellen und mit sogenannten „Corona-Partys“ ihre Freizeit mit anderen Freunden genießen, während die Regierung versucht, die Ausbreitung des Virus in Grenzen zu halten.

Dabei ist die Quarantäne notwendig. Es ist nicht schwer, ein paar Tage ohne direkten Kontakt mit Freunden zu verbringen. Es gibt so viele Alternativen mit Freunden Zeit zu verbringen ohne direkten Kontakt. Mal wieder telefonieren, facetimen, skypen oder einfach auch mal eine Auszeit nehmen und die Ruhe genießen, die sich in diesen Tagen oder besser Wochen der Quarantäne bietet.

Es ist nur eine einfache Aufforderung, die man vor allem als Jugendlicher schnell missachtet. Aber wenn man dieser Aufforderung nachgeht, leistet jeder einen Beitrag  zur Normalisierung des Alltags. Wenn jede:r Bürger:in sich solidarisch genug zeigt, dann wird diese Quarantäne-Zeit schnellstmöglich vorbeigehen.

Es ist einfach: „Your grandparents were called to war – You are called to sit on a couch. You can do it!“

Jiahui Wang, Q1c