Kennen wir uns?

Diese Frage beschäftigte in den ersten Wochen des neuen Schuljahres nicht nur die neuen Sextaner:innen, sondern ebenfalls einen Großteil der 10.-Klässler:innen, für die sich auch Einiges änderte.

Dieses Jahr ist nicht nur für die Oberstufen-Neulinge Vieles fremd, auch auf Lehrer:innen-Seite hat sich Einiges geändert und sorgte in den letzten vier Wochen für Verwirrung und Ungewissheit. Kurz: Die neue Oberstufenverordnung. Klingt vielleicht bedrohlicher, als die wirkliche Umsetzung zeigt, doch einige Änderungen haben es in sich:

Der Spuk begann bereits vor einem halben Jahr, als es um die Wahlen der neuen Oberstufenfächer ging. Den Durchblick auf einem Blatt voller Ankreuzmöglichkeiten und einem ausgetricksten System dahinter zu behalten, bereitete nicht nur Schüler:innen, sondern auch vielen Eltern Probleme. Soll es Religion oder Philosophie sein? Bio statt Physik? Was bedeutet das schlussendlich für die Belegpflicht bezogen auf das Abitur? Ein Informations-Meeting hatten wir zwar bereits erhalten, in dem wir jede:r vor unseren Bildschirmen saßen, doch die individuelle Umsetzung gestaltete sich als etwas schwieriger. Ein vorsichtiges Herumfragen und Überprüfen im Freundeskreis und der Mittelstufen-Klasse half auch nicht wirklich, abzuwägen, wie wahrscheinlich ein gemeinsamer Kurs sein oder ob der eigene Wunsch-Kurs überhaupt zustande kommen würde. Die Zettel abgegeben, schien zunächst alles erledigt und bis zu den Sommerferien war wieder Ruhe mit dem blinden In-der-Zukunft-Herumstochern.

Erst als der erste Schultag bevorstand, fanden schließlich auch die Letzten den Stundenplan auf Untis und waren erschlagen. Viele kleine, dicht aneinandergereihte Kästchen mit merkwürdigen Beschriftungen. Und niemand wusste, zu welchen Kursen er gehörte, welche Lehrer:innen und Mitschüler:innen er bekommen würde. Als wir dann individuelle Pläne bekamen, legte sich die Ungewissheit wieder und auch das Finden der Räume wurde zur Gewohnheit. Denn ja, einen Klassenraum gibt es nicht wirklich. Dass sich das Kunst-Profil im Kunstraum und der Bio-Kurs im Bioraum trifft, ist zwar klar, doch beim Rest fühlt man sich manchmal plötzlich wieder wie ganz am Anfang der Schulzeit und weiß nicht so richtig, wohin. Eindeutige Klassen ist nun auch Geschichte – Kurse heißt es jetzt. Jede:r scheint auf sich allein gestellt und manche sehen ihre Freund:innen nur in den Pausen. Und wenn der Schuh drückt? Tja, dann sind die Tutor:innen die besten Ansprechpartner:innen. Nicht wie Klassenlehrer:innen, sondern „Begleitpersonen“ für uns bis zum Abitur, heißt es formell. Doch wie es scheint, ist an dieser Stelle nicht nur Bedarf auf Schüler:innen-Seite da, ein wenig darüber hinwegzusehen und sich doch um eine stärkere Bindung und Klassengemeinschaft zu bemühen. Aber werden wir wirklich bald nicht mehr einzelne Fragmente sondern ein aufeinander abgestimmter Jahrgang sein?

Und nun sind wir hier, in Kursen, die sich langsam erst kennenlernen. In der Forming-Phase, wie unser Arbeitsblatt über Teambildung aus dem Berufsorientierungsseminar sagen würde. Bitte was? Ja, genau. Berufsorientierungsseminar. Langes Wort für ein neues Unterrichtsfach, das in den Stundenplan des E-Jahrgangs Eingang gefunden hat. Denn wann, wenn nicht jetzt, werden auf einmal wichtige Fragen losgetreten, wie: Was mache ich nach dem Abitur? Die ein oder anderen Gedanken hatte man sich vorher zwar bereits gemacht, doch so richtig ernst scheint alles erst, seitdem der Abschluss immer näher rückt und plötzlich alles unter dem Namen „Oberstufe“ läuft. Mehr Selbstständigkeit, mehr Leistung und in großen Schritten Richtung Ende der Schulzeit und was auch immer danach kommt. Bleibt zu hoffen, dass es durch die neue Oberstufenverordnung nun also die Möglichkeit gibt, sich besser auf all das vorzubereiten und ein richtiges Team in den Profilen zu bilden, das es gemeinsam wagt, diese Hürden auf sich zu nehmen, damit es bald nicht mehr heißt: Kennen wir uns?

Josefin Greve, Ec