Perspektivwechsel nach dem Fall der Mauer

„Ich muss jetzt chronologisch präzise sein, denn einige der Anwesenden waren damals ja noch gar nicht dabei.“ Mit einem Lächeln und dieser Bemerkung leitet Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, ihre Anekdote davon, wie sie den 9. November 1989 erlebte, ein und die „Anwesenden“, die sie damit meint, sind wir. Und da ist uns klar: Der Perspektivwechsel, der hier und heute, am 9. November 2021, von uns  vorgenommen werden sollte, ist nicht mehr nur der von Ost nach West oder von West nach Ost. 32 Jahre nach dem Fall der Mauer werfen wir, die wir nach 1989 geboren sind, den Blick in die Geschichte. Und die Geschichte blickt auch uns an, als will sie sagen: „Hey, schau mal, was damals hier los war, und lerne etwas draus!“

Und doch gibt es mehr als nur unsere eigene Sicht auf die Welt, und das zeigt uns der 9. November 2021, fast zwei Jahre nach dem für uns grausamen Lockdown: Menschen, die in Diktaturen lebten und schlimme Folter und Qualen erlitten. Deren Perspektive nahmen wir auf der ersten Station unserer Exkursion ein, in welcher wir das Stasi-Gefängnis in Rostock besuchten.

Menschen, die mehr oder weniger freiwillig das Johanneum verließen, damals, als der demokratische Gedanke, den wir heute an unserer Schule haben, noch nicht von jeder Lehrkraft mitgetragen wurde, wie uns Björn Engholm, der auch extra aus Lübeck angereist war, im persönlichen Gespräch eindrucksvoll erzählte. Menschen, die im Alter von 15 Jahren den Mauerfall nur fast nebenbei wahrnahmen und erst heute dessen Tragweite sukzessive realisieren. Dies erfuhren wir in der Rede von Manuela Schwesig. Und Menschen, die auch wirklich mal unsere Perspektive einnehmen wollen, vielleicht, weil wir sie mit unseren Projektbeiträgen an ihre eigene Schulzeit erinnern. Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Günther, für das freundliche Gespräch während der Ausstellungseröffnung unserer Bilder!

Wir haben also den Blickwinkel von Menschen einnehmen dürfen, die zeitlich jenseits des Mauerfalls geboren waren. Und sie haben auch für einen Moment unsere Perspektive eingenommen mithilfe der Bilder: Unsere Fotos zeigen unsere Welt. Zu sehen sind sie in der Kunsthalle Rostock noch bis zum 23. Januar 2022. Wir sind dankbar für ein nicht-virtuelles, sondern ein ganz reales Projekt und greifbare Geschichte.

Die Mitglieder der Foto-AG