„Das ist auch meine Geschichte“

Erst vor wenigen Wochen hatte das Kunstprofil, die Q1c, das Grenzhus in Schlagsdorf besucht und sich mit der innerdeutschen Grenze beschäftigt. Jetzt wurde schließlich die Verbindung zurück zum Profilfach durch die Künstlerin Renate Schürmeyer und die Zeitzeugin Frau Sinner gezogen.

In der Mitte des Kunstraumes waren mehrere Stuhlreihen aufgebaut, auf denen sich die Q1c verteilte, um gespannt auf die Frau zu blicken, die gerade ihre Präsentation über den Beamer einrichtete und ganz gewiss keine normale Lehrkraft war. Denn Renate Schürmeyer, bildende Künstlerin aus Jeese (Landkreis Nordwestmecklenburg) war zu Besuch gekommen, um zu zeigen, wie sie die jüngere Geschichte Deutschlands in Kunst verarbeitete, wie sie dafür recherchierte und was ihre Motivation hierfür war.

Sie selbst war 1957 in Ostberlin geboren worden, wuchs aber im Westen auf. Durch diese „Republikflucht“ galt ihre Familie allerdings während der innerdeutschen Grenze als Straftäter, weshalb für sie eine gewisse Gefahr aus dem Osten herüberzuwehen schien. Doch erst nach dem Mauerfall wurde ihr wirklich bewusst, was sie alles nicht mitbekommen und wie viel Geschichte sie unbewusst am eigenen Leib erfahren hatte. Dies in Kunst umzusetzen war eine Idee, die ihr erst viele Jahre später mit ihrem Projekt „Die Süße des Südens“ kam. Hierbei stellte sie in einer alten Küche der ehemaligen DDR in einer Gemeinschaftsausstellung aus, wobei sie alte Bilder aus der damaligen Zeit mithilfe von Zucker auf kleinen Leinwänden verewigte und in dem Raum aufhing.

Nach diesem Projekt begann sie mit der tieferen Recherche zu der Thematik, besuchte Zeitzeugen und sammelte schließlich Kleidung aus der Zeit der innerdeutschen Grenze, sowohl aus dem Osten, als auch aus dem Westen. Diese betonierte sie ein, wobei sie für jene des Westens Acryl verwendete, da sich diese somit, im Gegensatz zu ihren Gegenstücken im Osten, leichter im Wind bewegen konnten. Damit wollte Renate Schürmeyer das Steife Denken dieser Zeit zeigen, das sich, je nachdem, auf welcher Seite der Mauer man sich aufhielt, unterschiedlich stark ausprägte.

Die Künstlerin erzählte uns von vielen weiteren Projekten, die sie bis 2015 zu dieser Thematik umgesetzt hatte und zeigte uns damit eindrücklich, wie es möglich sein kann, über intensive Recherche, Selbsterfahrung und Ideenreichtum, die Geschichte in Kunst umzusetzen. Alles Erzählte untermalte sie mit einer Präsentation und darin enthaltenen Bildern zu ihren Projekten.

In der kurzen Pause, die auf ihre Ausführungen folgte, machten sich zwei Schüler:innen und Frau Schürmeyer auf den Weg, um aus dem dem Johanneum gegenüberliegenden Stift in der Dr.-Julius-Leber-Straße Frau Sinner herüberzubegleiten. Die 96-Jährige schien die Lebensfreude in Person zu sein und ihre Fröhlichkeit übertrug sich sofort auf alle Anderen im Raum. Mit einem ebenso großen Enthusiasmus erzählte sie in der nächsten Dreiviertelstunde von Erlebnissen, die ihr in der Zeit im Osten widerfahren waren. Dabei kamen Grenzübergänge, Gerichtsverhandlungen und sogar ein Gefängnisaufenthalt zur Sprache. Nach diesen veranschaulichenden Erzählungen wurde auch die Verbindung zu der Künstlerin Renate Schürmeyer wieder deutlich, denn beide hatten sich vor ein paar Jahren kennengelernt und im Zuge dessen ein Projekt in der Kirche der ehemaligen Universität von Frau Sinner umgesetzt. Dadurch wurde verstärkt betont, wie eng Kunst und Erfahrungen zusammen arbeiten und wirken.

Mit diesen neuen Eindrücken gingen nach dieser intensiven Doppelstunde alle Schüler:innen in die Pause – nachdenklich, inspiriert, oder aber erinnert an aktuelle Ereignisse, die letztendlich auch unsere Geschichte sind.

Text: Josefin Greve, Q1c

Fotos: Ramona Ponomarew-John