„Zeitenwende“ auch am Johanneum

Ende Februar führte die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt den ersten von zwei Terminen ihres Jugendprojekts „Europa-Denk-Schule“ mit dem Wirtschaft/Politik-Profil des Q1-Jahrgangs durch und wird nächste Woche wieder zu Gast sein. Ziel dieses Projektes ist es, Jugendliche für europäische Themen zu begeistern, ihnen die Abläufe in der Europäischen Union näher zu bringen und sie zu ermutigen, ihre Meinung in den politischen Diskurs einzubringen.

Am Freitag, den 24. Februar, war es soweit: Die erste Hälfte der Veranstaltung sollte den Schüler:innen die Funktionsweise der Europäischen Union näher bringen und ihnen einen Einblick in den Arbeitsalltag eines Mitglieds des Europäischen Parlaments geben. So berichtete Frau Burkhardt, die bei ihrer Wahl in das Europäische Parlament 2019 die jüngste deutsche Europaabgeordnete war, beispielsweise, dass es anfangs nicht einfach war, sich an die unterschiedlichen Arbeitsorte (Brüssel, Strasburg, Kiel) zu gewöhnen und in die Vielfalt der Themen einzuarbeiten. Insbesondere das Pflegen von Freundschaften sei deutlich schwieriger als bei einem festen Wohnsitz.

Dennoch macht ihr die Arbeit im Parlament viel Freude, denn: „Es macht einen Unterschied, dass man am Tisch sitzt und die Dinge beeinflussen kann“, so Frau Burkhardt. Außerdem stelle die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg eine Herausforderung dar: Allein in ihrer S&D-Fraktion sitzen 126 Abgeordnete aus 34 Parteien und 26 Ländern – so viele verschiedene Perspektiven müssen im Bundestag nicht berücksichtigt werden.

Zu der Frage nach den legislativen Kompetenzen des Europäischen Parlaments erläuterte Frau Burkhardt, dass das EP seit 2019 Initiativberichte starten darf, die von der Kommission als Gesetzesvorschläge aufgegriffen werden, sofern eine breite parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden ist. Da das Europäische Parlament mit 705 Abgeordneten aus 27 Mitgliedstaaten mit Abstand die diverseste europäische Institution ist, ist immer ein großer Kommunikations- und Abstimmungsbedarf vorhanden. Nichtsdestotrotz gilt das EP als Treiber des Fortschritts, insbesondere was Umweltthemen angeht, die in der Regel über die 7 Fraktionen hinweg Mehrheiten finden. Frau Burkhardt zufolge wissen die wenigsten Bundesbürger, dass mehr als 70% der Umweltgesetze, über die im Deutschen Bundestag abgestimmt wird, nicht originär deutsch sind, sondern EU-Recht, das von Deutschland in nationales Recht umgesetzt werden muss.

Der Mangel an Informationen über die Zuständigkeiten und Arbeitsweise der Europäischen Institutionen ist laut Frau Burkhardt auch ein Grund dafür, dass vielen Menschen die EU relativ fern scheint – angesichts der Entscheidungsfülle der EU ein demokratischer Mangel, dem sie mit ihrem Projekt „Europa-Denk-Schule“ entgegenwirken will.

In der zweiten Hälfte der Veranstaltung ging es um das Thema Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union. Ziel der GASP ist es zunächst, Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Welt zu fördern, aber auch die Werte und Interessen der EU zu verteidigen. Da aber die Mitgliedstaaten in der Außen- und Sicherheitspolitik sehr zögerlich darin sind, Souveränität auf die Europäische Union zu übertragen, ist die GASP ein sehr kompliziertes Gebilde, bei dem das Europäische Parlament nicht viel mitzureden hat.

Insbesondere vor dem Hintergrund der von Bundeskanzler Scholz ausgerufenen „Zeitenwende“ aufgrund von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine war es am Ende des ersten Projekttages Aufgabe der Schüler:innen, sich näher mit den anstehenden Herausforderungen für die Europäische Union zu befassen: Was ist die Rolle Europas in der Welt? Inwiefern unterschiedet sich die EU von anderen Akteuren? Wie erreicht man Glaubwürdigkeit?

Um sich mit einigen dieser Herausforderungen genauer zu beschäftigen, haben die Schüler:innen Gruppen gebildet, die für den zweiten Termin im Rahmen der „Europa-Denk-Schule“ Präsentationen erarbeiten. Wir freuen uns darauf, Delara Burkhardt am Mittwoch, den 5. April, wieder im Johanneum begrüßen zu dürfen. Dann werden die Schüler:innen der Europaparlamentarierin ihre Politikempfehlungen zu den Themen Europäische Armee, Migrationspolitik und China-Strategie präsentieren und in der Gruppe diskutieren. Auf diese Weise haben die Jugendlichen die Möglichkeit, ihre Ideen und Vorstellungen direkt an eine politische Entscheidungsträgerin heranzutragen.

Katja Benkert

Fotos: Marc Rönpage (Q2d) und Marc Fricke