Auslandserfahrungen: Einmal zur Schule gehen wie in Hogwarts?

Das wünschen sich bestimmt viele. Ich habe es fast so erlebt, als ich ein Auslandsjahr auf einem englischen Internat verbracht habe.

Das Internat heißt Giggleswick im Dorf Giggleswick in North Yorkshire, wobei man sagen muss, dass eher das Dorf Giggleswick in dem Internat liegt, denn das gesamte Dorf bis auf ein paar vereinzelte Häuser bildete die Schule. Dies hat auch der Schulleiter in der Rede zum Anfang des Schuljahres gesagt: “It takes a village to raise a child and we are that village”.

Wie viele Internate in England liegt Giggleswick also völlig auf dem Land, die nächste Stadt Manchester war fast zwei Stunden mit dem Auto entfernt. Giggleswick ist umgeben von sehr sehr vielen Schafen und ab und zu auch einer Kuh sowie einer ausgesprochen schönen Landschaft mit vielen Hügeln und Felsen.

Die Schule ist großartig ausgestattet mit einem eigenen Fitnessstudio, Schwimmbad, Tanzstudio, mehreren Sporthallen sowie mehreren Plätze für Hockey, Rugby und Tennis. Natürlich gab es auch ein Schulbibliothek (ohne einen verbotenen Teil wie in Hogwarts) mit Büchern von Jane Austen bis zu Fachbüchern über Zoologie. Ein großes Highlight für mich war außerdem das eigene Theater, in dem jedes Jahr von den Schüler:innen ein Stück mit wahnsinnig viel Aufwand aufgeführt wurde. In meinem Fall war es das Musical „Chicago“, und es war atemberaubend. Ich war eine der Tänzerinnen. Wir hatten eigene Maskenbildner, Choreographen, eine externe Band, Bühnenbildner etc. Um das Stück aufzuführen, hatten wir ein halbes Jahr lang fast täglich verschiedene Proben, wodurch die ganze Gruppe sehr zusammengewachsen ist.

Zwar hatten wir statt Fächern wie Zauberei oder Muggelkunde normale Schulfächer, aber es gab auch Fächer, die wir hier nicht haben, wie zum Beispiel Psychologie, ein eigenes Fach Literatur und Business. Außerdem hatten wir natürlich wie in Harry Potter Hausspiele gegeneinander, bei denen an einem Tag alle Häuser verschiedene Sportarten wie z.B. Tauziehen, gegeneinander gespielt haben. Giggleswick hat im Senior-Bereich zwei Mädchen- und vier Jungen-Häuser.

Jede einzelne Person hat außerdem über das gesamte Jahr für ihr Haus Punkte gesammelt (durch gute Leistungen, Extra-Aktivitäten etc), wodurch am Ende des Jahres das Haus mit den meisten Punkten einen metallenen Ochsenkopf als Trophäe erhielt.

Alle Häuser haben ein eigenes Wappen, das auch auf dem Pulli der Schuluniform gedruckt ist.  Ob die Uniform auch richtig getragen wurde, wurde jeden Morgen von dem Tutor oder der Hausmutter überprüft. Die rot-gestreifte Uniform war so klassisch britisch, wie man es sich nur vorstellen kann, mit Röcken für die Mädchen, Krawatten für die Jungen und natürlich einem Blazer.  Zur Schuluniform gehört auch, dass man nicht zu viel Schmuck trägt, das bedeutet,  dass nur feiner Silber- oder Goldschmuck und dann jeweils ein Stück erlaubt war, dies war die „One-one-one-Regel“. Außerdem durfte man kein Make-Up tragen und die Haare für Mädchen mussten zusammengebunden oder „half up half down“ sein. Auch für die Haarschnitte der Jungen gab es strenge Regeln. Wenn man sich an die Regeln nicht gehalten hat oder z.B. der Rock die vorgegebene Knielänge nicht erreichte,  wurde man auf Uniform Duty (eine sehr strenge Kontrolle vor jeder Stunde) gesetzt. Das hört sich jetzt sehr streng an und ist tatsächlich für uns sehr ungewöhnlich.

Der Schulalltag lief ganz anders ab als hier. Der Tag begann mit einem Tutoring. Dies war in einer kleineren Gruppe, in der ich mit sechs weiteren Mädchen aus meinem Jahr war und wir Verschiedenes mit unserer Tutorin besprochen haben, da ging es um Soziales sowie Schulisches.  Danach hatten wir mit mehreren Pausen bis 16:30 Uhr Schule und direkt im Anschluss eine Hausaufgabenzeit, die verpflichtend für alle war, in der man sich in seinem Zimmer oder der Bibliothek aufhalten musste. Im Anschluss gab es nach dem Essen in der Dining hall (es gab zu wirklich jeder Mahlzeit Kartoffeln dazu!) noch eine Hausaufgabenzeit, wodurch wir letztendlich erst ab 19:00 Uhr Freizeit hatten. Eine Umstellung war für mich auch, dass wir samstags Schule hatten, jedoch konnte ich mich schnell dran gewöhnen.

Wir konnten außerdem zwischen verschiedenen Aktivitäten wählen, die wir zusätzlich jede Woche machten, von Tennis über Theater bis zu Schießen war  alles dabei.

Die Klassen waren mit 10-15 Schüler:innen sehr klein und die Lehrer:innen haben alle individuell gefördert. Am Anfang des Schuljahres wurden viele Tests geschrieben und dann wurde man in jedem Fach seinem Leistungsstand entsprechend zugeordnet. Innerhalb des Jahres konnte man sein „Set“ auch je nach Leistung verändern.

Auch die Hausgemeinschaft kam nicht zu kurz.  Jeden Freitagabend gab es einen Hausabend, bei dem wir verschiedene Spiele spielten, klassischerweise mit Pizza Filme guckten, einen Karaoke-Abend gemacht haben oder mit Alkoholbrillen Fußball gespielt haben.Samstagnachmittag hatten wir dann immer „game day“, bei dem wir gegen andere Schulen z.B. Hockey oder Rugby gespielt haben. Es gab so viele spannende Aktivitäten, dass ich am liebsten noch mehr ausprobiert hätte.

Dennoch gab es für mich ein paar weitere Umstellungen, so z.B. der dreimal wöchentlich verpflichtende Gottesdienst in der Schulchapel und dass es noch so etwas wie „Nachsitzen“ gibt, was man relativ schnell bekam, z.B. schon bei einer Verspätung von einer Minute.  Auch dass die Lehrer:innen mit ihren Familien alle auf dem Campus oder in nächster Umgebung gewohnt haben, war am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, aber dadurch hat man ein sehr viel besseres Verhältnis zu diesen bekommen.

Generell habe ich wahnsinnig vieles erlebt, was sich gar nicht in einem Text zusammenfassen lässt, von schönen über viele lustige und auch ein bisschen traurige Erlebnisse war alles dabei. Ich habe gute Freundschaften geschlossen, viele außergewöhnliche Erfahrungen gemacht und ich würde alle ermutigen, während oder nach der Schulzeit Zeit im Ausland zu verbringen!

Martha Desch, Q1d