Weltfrauentag: Gewalt überwinden!

Gewalt gegen Frauen ist leider immer noch ein aktuelles Thema. Von sexistischen Witzen über Belästigung bis hin zu häuslicher Gewalt. Im schlimmsten Fall endet dies im Mord; und das viel zu häufig. Allein im Jahr 2023 wurden 193 Frauen und Mädchen getötet und 133 Frauen teils lebensgefährlich verletzt (Stand 15.02.2024).
Da man davon viel zu wenig mitbekommt, möchte ich den Weltfrauentag dazu nutzen, ein wenig über Femizide und geschlechtsbezogene Gewalt aufzuklären.
Mit dem Begriff „Femizid“, welcher ab den 1990er Jahren in den USA verbreitet wurde, bezeichnet man den Mord an Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Aber was bedeutet das und worin unterscheiden sich diese Morde von anderen? Laut dem statistischen Bundesamt starb im Jahr 2021 weltweit alle 12 Minuten eine weibliche Person durch die Hand Angehöriger (in der Realität vermutlich sogar häufiger, da Transfrauen in Kriminalstatistiken leider selten berücksichtigt werden).

Allein diese Häufigkeit lässt vermuten, dass es sich dabei um ein strukturelles und gesamtgesellschaftliches Problem handelt. Die Motive unterscheiden sich nämlich leicht von den „normalen“ Mordmotiven. Bei Femiziden und auch Misshandlung von Frauen ist der Partner häufig von einem Besitzanspruch an die Frau überzeugt; die Gewalt folgt häufig auf einen Wunsch nach Kontrolle, das Gefühl des Kontrollverlustes, zum Beispiel durch Widersetzen der Partnerin, führt dabei oftmals zur Entscheidung zur Tötung. Fallanalysen machen deutlich, dass diese Dynamik von Kontrolle und Gewalt in Zusammenhang steht mit Geschlechterungleichheit und daraus resultierenden Machtstrukturen. Dies begründet, dass es zum effektiven Schutz von Frauen notwendig ist, diese Gewalt als gesellschaftliches Problem anzuerkennen und sie dafür vorher klar als geschlechtsspezifisch zu benennen.
Häusliche Gewalt betrifft ebenso das männliche Geschlecht. Laut deutschen Experten sind ein bis zwei Fünftel der Opfer dieser Männer. Man kann sogar von höheren Zahlen ausgehen, da die Tabuisierung von Gewalt an Männern noch immer dafür sorgt, dass sie sich seltener Hilfe suchen. Dies liegt auch daran, dass Frauen als weniger gewaltbereit gelten und das Bild des körperlich überlegenen und starken Mannes in vielen unserer Köpfe fest verankert ist.
Dies ist selbstverständlich nicht weniger problematisch, bestreitet jedoch nicht die Relevanz der geschlechtsspezifischen Betrachtung von Gewalt gegen Frauen, die häufig als Folge von gesellschaftlichen patriarchalen Machtstrukturen geschieht.
Gedanken, die wir Kindergartenkindern schon beibringen („Er ärgert dich nur, weil er heimlich verliebt ist“; „Starke Jungs weinen nicht“; etc.), fordern diese Probleme nur und hindern ihre Prävention.
Da ein Großteil der Fälle von gewalttätigen Übergriffen in jeglicher Form im eigenen Haushalt durch Angehörige ausgeübt wird, ist es oftmals schwer nachzuvollziehen, warum besonders Partnerschaften nicht „einfach“ verlassen werden. Die Antwort auf diese Frage fällt ganz divers aus. Die Schwierigkeit psychische Gewalt als solche zu erkennen, das Geschlechterrollen-Verständnis der Betroffenen, welches dieser offenen Gewalt Berechtigung verleiht, Suiziddrohungen des Partners, die Angst vor Rufmord oder „Zerstörung“ der Familie, emotionale Abhängigkeit, Angst vor der Reaktion des Partners nach der Trennung und vieles mehr können beispielsweise Steine in den „einfachen“ Weg zur Hilfe legen. Eine Verurteilung der Betroffenen für ihre scheinbare Ohnmacht ist also nicht angebracht.
Aber was kann man überhaupt gegen dieses Problem unternehmen?
Erst einmal ist es wichtig, den Zugang zu Schutzmaßnahmen für Frauen erheblich zu erleichtern. Frauenhäuser, Interventions- und Beratungsstellen sind in Deutschland noch nicht ausreichend vorhanden und unterfinanziert. Auch die Medienberichterstattung muss einen besseren Beitrag zur Prävention leisten, Gewalt gegen Frauen nicht als Einzelfälle darstellen, sondern auf den strukturellen Kontext aufmerksam machen und versteckte Formen von Gewalt (wie Stalking oder Einschüchterung) stärker thematisieren.
Ebenfalls problematisch ist, dass das deutsche Recht die geschlechtsspezifische Tötung als Femizid nicht benennt und definiert und somit nicht angemessen berücksichtigt. Polizei und Justizpersonal müssten gegenüber diesem Thema sensibilisiert und geschult werden und Bildung über Geschlechtergleichstellung sollte einen Platz in deutschen Lehrplänen finden. Bewegungen wie „One Billion Rising“ haben zum Beispiel eine noch längere Auflistung von konkreten Forderungen an die Politik erstellt, die Gehör finden sollte.
Doch auch jeder einzelne kann aktiv werden. Sich selbst über dieses Thema zu informieren, zu bilden und sein Wissen zu teilen, hilft ein Bewusstsein für geschlechtsspezifische Gewalt zu schaffen und auch mehr Empathie und Verständnis für Opfer zu zeigen. Die Bekämpfung von Geschlechtsstereotypen fängt in deinem eigenen Kopf und Umfeld an. Auch Aktivismus und lautes Eintreten für die Forderungen zum Schutz von Frauen können einen Unterschied machen.

Helena Stöter, Q1f, für die Anti-Diskriminierungs-AG

Meine Quellen:
https://www.bpb.de/themen/gender-diversitaet/femizide-und-gewalt-gegen-frauen/519839/femizide-und-notwendige-massnahmen/
https://www.onebillionrising.de/femizid-opfer-meldungen-2024/
https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/bevoelkerung-arbeit-soziales/soziales/frauen-mord.html
https://www.aerzteblatt.de/archiv/186686/Haeusliche-Gewalt-gegen-Maenner-Unbeachtet-und-tabuisiert
Telefonische Hilfsangebote bei häuslicher Gewalt
• Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ des Familienministeriums: 08000 / 116 016, jeden Tag 24 Stunden erreichbar
• Hilfetelefon „Gewalt gegen Männer“: 0800 / 1239900, Mo bis Do 8 bis13 und 15 bis 18 Uhr, Fr. 8 bis 15 Uhr
• Opfer-Telefon des Weißen Rings: 116 006, täglich von 7 bis 22 Uhr
• Hilfetelefon sexueller Missbrauch: 0800 / 22 55 530, Mo., Mi., Fr. 9 bis 14.00 Uhr, Di. und Do.15 bis 20 Uhr
• „Nummer gegen Kummer“ für Kinder und Jugendliche: 116 111, Mo bis Sa 14 bis 22 Uhr
• „Nummer gegen Kummer“ Elterntelefon: 0800 111 0550, Mo bis Fr. 9 bis 11 Uhr, Di. und Do. 17 bis 19 Uhr
• Telefonseelsorge Deutschland: 0800 / 111 0 111 oder 0800 111 0 222 oder 116 123