36 Jahre voller Musik

Mit großem Abschiedsschmerz und voller Anerkennung für ihr unglaubliches Engagement hat das Johanneum Helke Linowitzki in den Ruhestand begleitet. Ob mit dem Kollegium in der Aula oder mit allen Schüler:innen auf dem Hof: Bis zu ihrem letzten Arbeitstag hat sie die Schule musikalisch und gedanklich geprägt.

Selbst unter Coronabedingungen hat sie Wege gefunden, Schüler:innen gemeinsam musizieren zu lassen und das auch zeigen zu können:

Konzertersatz

Viele Schüler:innen, Eltern und Geschwister sitzen in der Aula, hören den Klängen zu, die Luft ist stickig und ab und zu klingelt ein Handy. Nach dem Konzert würde es noch Stände mit Essen geben und alle würden sich gemeinsam auf die bevorstehenden Sommerferien freuen. Eigentlich… Aber wie so vieles andere fallen dieses Jahr auch die Schulkonzerte aus. Aber zum Trost haben wir, das Schulorchester, eine Aufnahme eingespielt, um wenigstens einen runden Abschluss des Schuljahres zu haben. Dazu geht Frau Linowitzki, die das Orchester viele Jahre geleitet hat, dieses Jahr in den Ruhestand! Ein herzliches Dankeschön!

Das Stück „Gabriel’s Oboe“ wurde von Ennio Morricone komponiert und ist eine Filmmusik aus dem Film „Mission“.

Naomi Reitemeier, 9e

Für beste Stimmung sorgte die Überraschung der Fachschaft Musik, mit großem Ensemble und allen Schüler:innen gemeinsam auf dem Schulhof zu tanzen. Zum legendären „Samba de Janeiro“ kamen alle in Bewegung – und Helke Linowitzki tanzte natürlich sofort mit!

Schon den Eltern der jetzigen Abiturient:innen hat Helke Linowitzki die Geige gestimmt und ihnen das Glück des Orchesterspiels mit nie endenwollender Umsicht und persönlicher Zuwendung nahegebracht. Dass sie daneben exzellenten Unterricht erteilte, die Instrumentensammlung der Schule verwaltete, das Kollegium durch jahrelange Arbeit im Personalrat unterstützte und noch die Zeit fand, privat intensiv zu musizieren, beschrieb Gernot Maetzel in seiner Rede:

„Eine richtige Lübeckerin oder ein richtiger Lübecker – so heißt es manchmal – ist man erst, wenn man in mindestens dritter Generation in Lübeck geboren wurde und die Oma auf dem Burgtorfriedhof begraben liegt.

Was aber macht jemanden zu einem wahren Johanneer bzw. zu einer wahren Johanneerin?

Reicht es, dass man 36 Jahre lang am Johanneum Musik unterrichtet hat?

Vielleicht sollte schon der Vater dort Lehrer gewesen sein?

Und wenn man auf dem damaligen Jungengymnasium selber nicht zur Schule gegangen ist, dann doch aber bitte die Brüder, der Ehemann und die eigenen Kinder.

Reicht noch nicht?

Na gut, dann soll auch noch ein Bruder Johannes heißen, Ehemann und mindestens ein Sohn sollen ebenfalls Vornamen tragen, die mit J beginnen, diese drei sollen zudem den Musikerberuf gewählt haben und zur Abschiedsfeier ein Ständchen spielen. → JJJ spielen

Liebe Helke,

auch wenn es neben der Musik weiterer Worte nicht bedürfte, um Dir zu danken, möchte ich doch in möglicher Kürze darlegen, wie Du die Musik am Johanneum, Dein Kollegium, Deine Schüler:innen, die ganze Schulgemeinschaft, also das Johanneum insgesamt geprägt und tief beeindruckt hast.

Da ist natürlich der Musikunterricht selbst, den Du bis in diese Woche hinein gegeben hast: Der Anspruch, den Du dabei an Deine Schüler:innen und an Dich selbst stellst, die Ernsthaftigkeit im Umgang mit den zu Unterrichtenden und mit dem Unterrichtsgegenstand, die mitreißende Begeisterungsfähigkeit und nie versiegende Neugier, mit der Du dabei tätig bist, ergeben eine Mischung, die jeder Lehrerin und jedem Lehrer zur Zier gereichen würde. Dass Du dieses Berufsethos nach über dreißig Jahren noch hochhältst, Dich darin stets reflektierst und weiterentwickelst und Dich nicht allein auf die zweifellos riesige gesammelte Erfahrung zurückgezogen hast, nicht einmal in den vergangenen 15 Monaten, in denen die Pandemie die Musik am Johanneum fast zum Verstummen gebracht hat, ist kaum zu glauben.

Du selbst hast dieser im besten Sinne professionellen Einstellung den Namen gegeben, der diejenigen, die ihn gehört haben, sicherlich oft dazu veranlasst hat, den eigenen Unterricht demütig und kritisch an den von Dir gesetzten Maßstäben zu messen. Du sagtest dann, beispielsweise über die Musik des beginnenden 20. Jahrhunderts: „Das arbeite ich gerade.“

Natürlich ist das eigentliche Musikmachen Dir auch immer höchstes Anliegen gewesen: Mit größter Hingabe und immer wieder neuem Schwung hast Du Dich um Generationen von Instrumentalist:innen gekümmert und sie in verschiedenen Ensembles zusammen- und zum gemeinsamen Musizieren gebracht. Tausenden jungen Menschen hast Du die Eingangstür in den musikalischen Kosmos erstmals gezeigt, viele davon sind diesen Weg bis in eine professionelle Musiklaufbahn gegangen. Ungezählte Proben, Probenfahrten, Auftritte und Konzerte gehören durch Dich zum Gesicht des Johanneums. Aber auch Du selbst hast bei so vielen Gelegenheiten mitmusiziert und Deine Mitmenschen bereichert, mit Deinem ursprünglichen Instrument, dem Cello, dann mit Deiner heimlichen Liebe, den Perkussionsinstrumenten, und natürlich mit Deiner Stimme. Der gemeinsame Kanon, den Du immer am Schluss der Adventskonzerte angestimmt hast, klingt nicht nur in unseren Ohren nach, sondern auch in unseren Herzen.

Die Musik an sich ist Dir Herausforderung und Lebenselexier: Du singst im Lübecker Kammerchor, aber auch solistisch, und nimmst noch immer Gesangsunterricht. Du spielst weiterhin zusammen mit befreundeten Musikkolleg:innen in Eurem Percussion-Ensemble und triffst Dich mit ihnen zu arbeitsamen Probenwochenenden. Du hältst Dich und deine Mitmenschen musikalisch eingebunden und leidest sichtlich, wenn es an Kultur fehlt. Als am Ende des letzten Schuljahres eine Schülerin ein kleines Cellovorspiel im Rahmen ihrer Abiturprüfung gab, baten wir sie nach Ende der offiziellen Prüfung, uns das kurze Musikstück nochmals zuzugeben. Nachher konntest Du die Tränen der Rührung über das erste Livekonzert nach knapp drei Monaten kaum verbergen.

Die Kraft, die Du, liebe Helke, augenscheinlich aus der Musik schöpfst, hast Du immer dazu genutzt, um Dich für Deine Mitmenschen einzusetzen und um mit vollen Händen anderen zu geben, was auch deren Leben bereichert: Du hast über Jahrzehnte Musiklehrkräfte ausgebildet, Praktika betreut, in der Musik-Lehrplankommission mitgearbeitet, hast lange Jahre in der Verbandsarbeit vor allem das Projekt Schulen Musizieren vertreten und weiterentwickelt, hast hier am Johanneum über viele Jahre die Fachschaft Musik und auch den Personalrat geleitet. Wer sich Dir und Deiner Arbeit anvertraut, kann sich, von Deiner fachlichen Kompetenz abgesehen, auf Deine Offenheit, auch auf Dein offenes Ohr für kleine und große Nöte, auf Deine Aufrichtigkeit, Dein Taktgefühl, Deine Unaufgeregtheit, Deine Ordnung, Dein Urteilsvermögen, nicht zuletzt in Stilfragen, Deine Bescheidenheit, Deine Fähigkeit zum Ausgleich, Deinen Gerechtigkeitssinn, Deine Courage, auf Deine Lebensfreude und auf Deinen Humor verlassen.

Um es kurz zu sagen: Was Du tust, tust Du als Musikerin eben mit Herz, Hand und Verstand – und deshalb wird es gut.

Vor ein paar Tagen sagte jemand zu mir, es sei erstaunlich, wie schnell man nach dem Abschied auch langjähriger Kollegiumsmitglieder zur Tagesordnung übergehe und sich an die Veränderung gewöhne.

Dass wir uns an ein Johanneum ohne Dich gewöhnen könnten, klingt für mich wie eine unvorstellbare Zumutung. Gleichzeitig wünsche ich uns natürlich, dass es wahr wäre, da ja Dein Abschied unvermeidlich ist. In den letzten Wochen hast Du ihn mit wiederum beeindruckender Sorgfalt vorbereitet, indem Du Deine Arbeitsbereiche perfekt geordnet und aufgeräumt und Deine vielfältigen Materialien, Listen und Know-How dokumentiert und in verabredeten Einzelgesprächen übergeben hast. Insofern hast Du alles getan, um die Lücke, die Du hinterlässt, möglichst klein zu halten.

Du hast, um dieses Bild zu bemühen, für das leibliche Wohl des Johanneums auch nach Deinem Weggang bestens gesorgt.

Aber – das habe ich versucht zu verdeutlichen – was Dich und Dein Wirken am Johanneum in den vergangenen 36 Jahren ausgemacht hat, geht darüber weit hinaus, es kann nicht übergeben werden, es geht mit Dir, es ist – die Seele.

Liebe Helke, ich bin sicher, dass Du uns sehr fehlen wirst. Wir werden aber versuchen, uns von Deinem Vorbild inspirieren zu lassen, um die Lücke, die Du hinterlässt, mit neuem Geist, mit anderer Seele zu füllen.

Zurück zur Eingangsfrage:

Liebe Helke,

Du bist eine wahre Johanneerin und wirst es immer sein.

Mehr Johanneum als Du geht nicht.

Wir danken Dir von ganzem Herzen!“

Gernot Maetzel

Als Anerkennung ihrer außerordentlichen Verdienste für das Johanneum erhielt Helke Linowitzki die Goldene Ehrennadel der Schule. Wir hoffen, dass sie ihre goldene Eintrittskarte für alle Konzerte des Johanneums häufig nutzen wird.

Fotos: André Feller